Band gesucht: Wer ist der moralische Zeigefinger im Arsch der Szene?

Symbolbild

Sie sind ein Phänomen, an dem man derzeit kaum vorbei kommt, denn sie produzieren den Soundtrack zu unserer Zeit, schrieb Headbert schon in dunklen Corona-Zeiten im Ox 160. Mittlerweile haben sie beinahe 160.000 Hörer:innen bei Spotify und entwickeln sich ganz der Leitlinie von Labelboss Hartwig Masuch, der seinen Key-Accounts, wie er seine Bands bei BMG liebevoll nennt, maximal freie Hand lässt, um BMG damit zum profitabelsten Major Label der Welt zu machen (https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/familienunternehmer/bertelsmann-music-group-wie-hartwig-masuch-bmg-profitabler-als-marktfuehrer-universal-gemacht-hat/25006018.html).

Aber nicht nur das Topmanagement der Musikindustrie liebt sie, sondern auch Jan Böhmermann, der sie schon früh förderte und eine Oma im Publikum zum heftigen Kopfnicken im Takt veranlasste.

Für die Außendarstellung wurden die jungen, hippen Leute des BMG-Unterlabels Soulforge gewählt, die bisher eher ihren Beitrag zur Marge durch Hip Hop leisteten. So wirkte ihr Portfolio wie eine Majorkopie von Audiolith und das kommt ja unter jungen hippen, gepiercten Bartträger:innen mit Stahlgestellbrillen erstmal weniger uncool rüber als Labelkolleg:innen von Max Giesinger, Nena und Roger Waters zu sein.

Wären wir beim Herrenfußball, würde dieser Band mit ihrer Labelhistorie der gleiche Hass wie RB Leipzig entgegenschlagen. Warum ist das bei der gesuchten Band anders?

Textlich liefern die älteren Cis-Dudes (Szenesprech für Männer ab 40 mit übereinstimmenden biologischen und sozialen Geschlecht) den üblichen Mix aus Dada und Blödsinn, der vermutlich in WG-Küchen auf Partys seit anno dazumal nach drei Uhr morgens von sich gegeben wird. Eine Lightversion von PISSE, die man wohl irgendwann für den ganzen ähnlichen Rotz verantwortlich machen wird. Musikalisch gibt man sich bewusst schlicht und der Anstrich des Nichtperfekten wird als Punkattitüde verkauft. Die klassische Musikausbildung muss ja nicht ganz so in den Vordergrund gestellt werden und auch die süßen kleinen Rechtschreibfehler, wie englische Pluralbildung, kommen gut an. Das trifft den Nerv von offensichtlich vielen Menschen jüngeren und älteren Alters, die gerne Punk haben wollen, aber bitte nicht ohne den Schutz der Gitter eines Laufstalls. Diese bekommen sie gratis durch Regeln: Oberkörper muss natürlich bedeckt sein und für sogenannte FLINTA gibt es natürlich einen Safe-Space, den die anderen CiS-Dudes im Publikum, vermeintlich rücksichtslose, hängengebliebene Altpunks im Pogomob, dann nicht betreten dürfen. Das üben sie gerne mit aller pädagogischen Raffinesse geschulter Sozial- und Sonderpädagogen, Streetworker und Lehrer (alles natürlich mit*innen) auf den vielen Festivals mit dem Publikum ein. Ähnlich ihrer christlichen Vorbilder scheuen sie nicht, sich die Bühnen mit Schmuddelkindern zu teilen. Jesus sprach schließlich auch mit dem bösen Zöllner.  

Vermutlich ist das das Geheimnis ihres Erfolges, denn der Deutsche steht halt auf Religion und Regeln sowie den dazugehörigen Prinzipien. Diese wirken der mangelnden Empathie entgegen und bieten einen leichten Pfad zu moralisch richtigem Verhalten. Dabei beruft man sich auf die Codes der gerade angesagten intersektionalen Theorien und woken Ersatzreligionen. Zwar stolpert man da schonmal, aber – hey! – wer ist denn schon ohne Fehler?

Sie selbst auch nicht: So verwendeten sie in Frühtagen das I-Wort und haben so unfassbares Leid über die indigenen Völker der Welt gebracht. Der Song fiel der Selbstzensur anheim. Die Band geißelt sich selbst für den Fehler. Eine Fehlerkultur, die natürlich den erzieherischen Auftrag nicht verfehlt:

„Hey, kein Problem, dass du auch mal ein unsensibles Arschloch warst. Wir machen auch Fehler, siehst du? Es ist ganz einfach, sich zu ändern! Und wenn du, CiS-Dude, dich immer schön selbst bezichtigst, dann kann auch deine Seele gerettet werden!“

Und so wird mit Awarenessteams zusammen am Punkhimmel auf Erden gearbeitet. Woker Eskapismus in klassischer ‚Wir gegen die‘-Manier. Kann man ja alles machen: Die Kunst ist frei!

Wäre dabei nicht ein Missionierungseifer, die eigene Freiheit den eigenen moralischen Anspruch über den Anderer zu stellen. So sollen sich schließlich auch andere Bands auf Festivals ihrem Konformismus unterordnen.

Na? Wer ist wohl gemeint?

 

 

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