Podcast mit Alexander Strafe: Der Mond wacht über der Stadt

Auch der zweite Bockcast beschäftigt sich mit dem Einfluss der Kindheit auf unser Leben. Alexander verarbeitet viele persönliche Erlebnisse mit seiner Band PANIKRAUM. Über die 2015 veröffentlichte Geschichte „Der Mond wacht über der Stadt“ kamen wir ins Gespräch. Ich kannte ihn bisher noch gar nicht so: ein ruhiger Typ, der Schlimmes gelassen ausspricht. Die Dämonen der Kindheit, die von allem überforderte Mutter, das prägte ihn zutiefst. 

Wer Spaß und lockere Unterhaltung erwartet wird enttäuscht, wer mehr lesen will, sollte etwas Zeit mitbringen und seinen folgenden Text lesen, den Alexander hier freundlicherweise zur Verfügung stellt.

DER MOND WACHT ÜBER DER STADT
Die amüsanteste traurigste Geschichte (oder umgekehrt?) meines bisherigen Daseins
oder die Kunst, Dämonen zu erkennen

von

Alexander

im Mai 2015

 

Inhaltsverzeichnis

  • Die erklärende Einleitung (ähm …Vorwort …nö..787 Wörter)
  • Dämon 1: Dämonen-Erkennung und die Bereitschaft, sich ihnen zu stellen und sich mit ihnen anzufreunden
  • Dämon 2: Glücksritter, die aneinander vorbeifahren
  • Dämon 3: Die Eltern oder Danke, Mama und danke für den Fisch
  • Dämon 4: Partnerschaften oder: Wie hält man es mit uns aus
  • Dämon 5: Sehnsüchte, Träume und Wünsche
  • Dämon 6: Selbsterkenntnis oder wann habe ich festgestellt, dass mit mir wirklich etwas nicht stimmt?

  • Anhang: Briefe meines Bruders an unsere Tante und unsere Mutter

 

 

Die erklärende Einleitung

Der Anfang oder: „Suche: Dämonen-Bändiger – Gebe: Alles“

An sternenklaren Nächten und der Anwesenheit von einer nicht zu erwartenden Helligkeit, die ein Versprechen vorauswarf, ging ich ans Fenster, um mir den Mond anzuschauen. Und da war es: Das Versprechen.

Schauen Sie sich das selber mal bewusst an. Es ist erhaben. Ich kann es nicht besser beschreiben. OK, das berührt jetzt eher meine Sinne, aber vielleicht können Sie sich ja mit dem Gedanken anfreunden.

Knapp über den Häusern leuchtete etwas so totes so lebendig, dass mir warm ums Herz wurde und immer noch wird. Es ist wie ein Versprechen, über uns zu wachen, auf uns auf zu passen – ich bin da, wenn Du mich brauchst.

Ein Satellit, so der Sprachgebrauch, der sich pro Jahr, glaube ich, um 3,8cm (ach, ich liebe das Internet –  so viel Wissen…schwärm) von uns entfernt. Tja, da kann man schon wehmütig werden. OK, er wird uns wohl nie wirklich verlassen. Gugeln. Oder die NSA fragen.  Sind etwas konservativ, morbide und altbacken, aber ganz OK.

Aber es ist für jemanden, der sich – wie sagte ich es kürzlich – ritterlich verhält, genau das. Nämlich: Einfach da. Und ich war immer da. Der Fels in der Brandung. Die fremden Männer abwehrend, so die Definition von Alexander in Reclams Namensbuch, oder auch Beschützer. Und ja, das bin ich. Soviel, wie man mit 1,71m (auf die 1, hinter der 7 bestehe ich) und einem eher korpulenten Körperbau, sein kann. Ziemlich zickig, wenn es darauf ankommt  (wenn Masse sich einmal in Bewegung setzt….).

Weiche ich ab? Keine Bange, wird noch öfter vorkommen, gewöhnen Sie sich dran.

Ich bin, war und werde es immer sein: Der Beschützer. Nicht der „haudrauf“ Typ sondern der, der Probleme kennt, aber oft weiß, wie man damit umgeht, um anderen die fehlende Kraft zu geben.
OK, klappt nicht immer (siehe diese Geschichte), vor allem nicht immer bei mir selber.

Was ich auf keinen Fall bin, ist der „tschakka,  du schaffst das“  Mensch. Das ist mir zu erzwungen. Ich zeige oder besser, beleuchte den Menschen einen Weg, den sie vorher vielleicht nicht gesehen haben. Es ist nicht so einfach, wie sich das anhört, doch habe ich irgendwann verstanden, dass wir alle nicht wichtig sind und doch jeder einzelne von uns.

Das gab mir Kraft und alle, die mich kennen, könnten mich als jemanden beschreiben, der eine gewisse Lebensfreude, -kraft und Zuversicht ausstrahlt. Ein Satellit, der von außen beleuchtet wird und diesen Schein einfach weitergeben möchte. (Hab ich einen Schein?)

 Und ja, ich habe den Menschen, die mir bislang begegnet sind, oft die Tür geöffnet und gesagt „Komm doch rein! Draußen regnet’s, hier scheint die Sonne“. Und viele trauten sich nicht rein.
Ein paar schauten mal rein und stellten offensichtlich fest: „Hey, hier regnet’s ja auch!“.
Ich entgegne: „Ach ja? Ich sehe nur die Sonne“.  Und wenige kamen rein. Doch irgendwie stand ich in den letzten Jahren selber nicht wirklich dort. Ich habe es nur nicht wahrgenommen.

Warum das nie in meinen Beziehungen 100% funktionierte? Ich dachte, ich sei vielleicht zu blauäugig (nur wenn ich sehr aufgeregt bin, ansonsten grau-blau-grün, für alle, die es nicht wissen möchten), naiv und vor allem: Zu gutmütig. Viel investieren, wenig Rendite. Ok, da schied Börsenmakler schon mal aus…Aber die Wahrheit lag viel tiefer verborgen. Das wusste ich nur noch nicht.

Es ist der Blickwinkel, Dinge so zu sehen, wie sie sind. Unvermeidlich, evtl. abänderbar und einige richtig beeinflussbar. Nämlich: Die eigene Einstellung zu ändern und wie man mit dem Problem umgeht bzw. es aus einem anderen hilfreicheren Winkel betrachtet.

Ach so, jeder von uns hat kluge Ratschläge? Na, dann denken Sie mal genau darüber nach und betrachten sich im Spiegel. Klingt böse? Ist es auch. Es geht wirklich nicht um „wer hat recht“. Oder, „mein Weg ist der Beste“. Sowas gibt es nicht oder zumindest nicht oft. Erst wenn Sie bereit sind, sich selbst  zu retten, können Sie anderen helfen. Und ich musste uns, sie und mich, retten.

Diejenigen, die sich, ob dieser Einstellung, angesprochen fühlen, kennen das und haben das schon oft gehört: „Du bist zu gut für diese Welt“. Heute frage ich: Ach ja? Dann sollten die, die sowas sagen, doch bitte einmal „zu gut“, definieren. Das impliziert ja bereits, dass alles andere „schlecht“ ist.

Mhm, eine sehr positive Sicht- und Lebensweise. Viel Spaß damit. Genauso wie das Wort „Toleranz“….Halt! Stopp! Nicht gugeln…nachdenken…dann werden Sie schon wissen, was ich meine. Und vor allem, nicht die NSA fragen, die kennen da keinen Spaß.

Man hat mir schon oft gesagt; „Alexander, Du kannst nicht die ganze Welt retten!“ Heute entgegne ich „ Warum nicht? Hat es denn schon jemand versucht?“. Glas halb leer, halb voll usw…Ich weiß selber, dass das illusorisch ist. Aber mal ganz ehrlich: Was wären wir ohne Illusionen?

Dämon 1: Dämonen-Erkennung und die Bereitschaft, sich ihnen zu stellen und sich mit ihnen anzufreunden

Ich fange mal mit den Enden an.

Der Boden war hart und ich hatte Schmerzen. Ich wusste nicht genau, ob ich jetzt tot bin oder etwas in mir gebrochen war. Aber ich wusste, dass ich aus einem Fenster gestoßen wurde. Nur nicht, warum.

So sehe ich mein Dasein und was mir passierte. Von außen betrachtet, soweit das zumindest möglich ist.

In mir ist etwas zerbrochen, gestorben. Schon lange. Doch ich habe die Signale verdrängt. Und meine Gefühle fast verloren.

Ich habe eine 18jährige Beziehung beendet und für sie und mich ist das die Höchststrafe. Für uns beide doppelt, da wir a) die Beziehung und den Kampf, den wir wahrscheinlich nie bereit war zu kämpfen, um sie verloren haben und b) jetzt wissen, warum. Aber im Grunde ist es für uns beide auch eine Chance. Denn wir waren sehr unglücklich. Und doch mögen wir uns sehr und verstehen uns immer noch sehr gut. Dazu später.

Eigentlich sollte diese Geschichte schon lange geschrieben worden sein. Eigentlich. Eigentlich sollte eigentlich aus dem deutschen Wortschatz gestrichen werden. Das musste mal gesagt werden.

Es sollte eine Geschichte über das Leben und dessen Kurzfristigkeit werden, was uns bewegt, was uns ausmacht. Warum die Kleinigkeiten, die uns oft so nichtig erscheinen, so besonders sind. Ein bisschen traurig, ein bisschen amüsant und nachdenklich stimmend.

Tja, worüber handelt diese Geschichte denn dann? Mhm.

Das Leben und dessen Kurzfristigkeit. OK, klingt ähnlich, aber (wie sagen Politiker das immer? Genau…) aus dem Zusammenhang gerissen.

Über Emotionen und Gefühle, warum ich so bin, wie ich bin, über das, was wir mal waren, was wir sind und was wir noch sein bzw. machen wollen. Ich, für meinen Teil, wollte einfach nur wissen, warum ich so ticke. Warum ich dieses absolute Bedürfnis nach „everybody‘s darling“ habe. Und zwar ohne, dass ich mich unterwerfe. Ich komme halt nur mit den meisten Menschen gut klar und sage trotzdem meine Meinung. Und die wird im Allgemeinen respektiert und teilweise auch angenommen.

Ich bin jetzt bereit, mich meinen Dämonen zu stellen.

Ich weiß, dass ich sie nicht töten kann. Ich habe versucht, sie zu verdrängen. Aber ich habe nie versucht, sie auch zu bändigen. Und bis vor ein paar Wochen, war ich auch sehr überzeugt davon, dass das richtig wäre, sie zu bändigen.

Aber…da sagte jemand (dazu später) etwas, darüber musste ich erstmal nachdenken, weil es etwas sehr Richtiges und Wahres war. Das wurde mir später dann klar.

Sie sagte „Wie wäre es, wenn Du Dich mit diesen Dämonen anfreundest?“

Und das ist nicht nur manchmal eine Lösung, sondern DIE Lösung. Zumindest für mich.

Das habe ich tatsächlich, wenn überhaupt, nur ansatzweise versucht. Diese Dämonen, die ich hier beschreibe, sind Erklärungen für mein Wesen. Und ich mag mich ganz gut leiden, jetzt wieder, wo ich erkannt habe, was MIR wichtig ist. Ich kann das jetzt akzeptieren und mich mit diesen Dämonen anfreunden.

Im Grunde möchte ich mich sogar bei Ihnen bedanken.

Wikipedia-Eintrag: Als Dämon wird in den Religionswissenschaften zunächst ein „Geist“ oder eine Schicksalsmacht  als „warnende oder mahnende Stimme (des Gewissens)“ und „Verhängnis“ verstanden.

Und so sind meine Dämonen, meine Geister, jetzt MEINE Freunde. Ich stelle sie mir mittlerweile zwar nicht als zottelige, kleine Kuscheltiere vor, aber auch nicht mehr als „DIE UNBESIEGBAREN“.

Denn sie sind alle Teile meines Daseins, meines Ichs und gleichermaßen Erinnerung, Warnung und Ermahnung.

Diese Geschichte ist eine Aufarbeitung. Ein Spiegel meiner selbst. Immer bereit, anderen alles zu zeigen, was wir sonst nur im Kämmerlein mit uns selber ausmachen. Eine Abrechnung mit allen verkorksten, wirren, verrückten, albernen und schönen Gefühlen. Eine Abrechnung mit mir selbst. Dass ich selber den Spiegel immer anderen gerne und auch ungefragt vor die Nase gehalten habe, aber selber nicht immer so genau bei mir hingeschaut habe (außer bei meiner Frisur).

Aber ich bin ja lernfähig, auch noch in dem Alter. Ich weiß auch, dass es in einer Beziehung immer zwei Seiten einer Medaille gibt und die andere Seite auch Fehler gemacht hat. Aber wir sind uns beide nicht sicher, was zuerst war: Das Huhn oder das Ei.

Was mit Ihnen während des Lesens passiert?

Keine Ahnung. Wahrscheinlich – oder besser vielleicht – werden Sie an einigen Stellen lachen oder schmunzeln und bestimmt an vielen grübeln und an manchen auch weinen, OK, vielleicht ein Tränchen verdrücken. Ist OK. Ehrlich. Sieht ja keiner.

Ob Sie sich wiederfinden, einfach nur aufnehmen, sich belehren lassen oder gar nichts feststellen? Ihre Entscheidung. Und ob Sie überhaupt noch Lust verspüren, weiter zu lesen, entscheiden Sie auch selber.

Jetzt, genau, jetzt könnten Sie eventuell feststellen, dass es etwas mit Selbsterkenntnis und Selbstbestimmung zu tun hat bzw. mit den Entscheidungen, die man selber trifft, bzw. treffen hätte können. Da liegen Sie schon mal nicht falsch. Aber da ist noch viel mehr.

Sie sind herzlich eingeladen, der oder die EmpfängerIn von starken Erfahrungen, Emotionen und Gefühlen eines anderen Menschen zu  werden, die Sie selber wahrscheinlich nicht gewohnt sind, mit anderen zu teilen. Ist eine Erfahrung wert.

Allerdings ist dieser Blick auch einer in einen Abgrund. Eine Wahrheit und Authentizität, die nicht so leicht zu verdauen sind, schmerzhaft, traurig und teilweise bittersüß.

Und leider ist alles hier wahr. Sehr wahr. Meine Wahrheit, die ich schon sehr häufig offen geteilt habe. Um mich und mein Leben zu verstehen.

Ich bin nicht so überheblich, zu glauben, ich sei ein besonders wichtiger Keks. Jeder sollte sich seiner eigenen Wichtigkeit für sich und andere bewusst sein. Meinem Bruder und mir wurde nur schon oft deutlich gemacht, dass wir irgendwie anders sind – dass man uns dafür bewundert, so zu sein, wie wir sind.

Ja, und manchmal stellt man es auch selber fest, dass man irgendwie anders ist und wenn andere ihnen das auch noch sagen, fängt man wohl an, es auch ein klein wenig zu glauben.

Es tut zwar gut, aber wir können uns davon nichts kaufen, sprich, wirklich damit etwas anfangen. Eher nur feststellen. Es ist halt, wie es ist. Und die Gründe, versuche ich hier aufzuarbeiten.

Und da wir gerne Wissen teilen (unser Beruf) und wir auf dem Standpunkt stehen, dass man durch Teilen, etwas verdoppelt, schreibe ich diese Zeilen.  In der Hoffnung, dass es mir hilft und ich eventuell anderen zeigen kann, dass das Leben viel, viel, viel zu kurz ist, um es zu vergeuden. Es ist nur geborgt und wird am Ende wieder eingefordert. Unsere Entscheidung, was wir daraus machen.

Letztlich hege ich die Hoffnung, dass man durch Ehrlichkeit sich selbst und anderen gegenüber, ein anderer, besserer Mensch sein kann, werden kann, wenn man es möchte. Man mit dem Leben dadurch besser klar kommt, sich seiner Wichtigkeit und Existenz bewusst wird, ohne sich zu wichtig zu nehmen.

Und ich war nicht ganz ehrlich, vor allem nicht zu mir selbst. Und da wollte ich wieder hin.

Es ist ein langer Weg, um zu erkennen, dass erst, wenn man sich selber mag, man andere mögen kann. Das gilt auch für das sich selber lieben, ohne selbstverliebt zu sein. Ich kann mich ganz gut leiden und doch reflektiere ich oft, stelle meine Entscheidungen und Aussagen in Frage.

Fehlendes Selbstbewusstsein? Nein, früher ja, jetzt definitiv: Nein. Es ist vielmehr das Bedürfnis, allem und jedem gerecht zu werden. Nur halt nicht immer mir selber. Woher das kommt? Später. Ich war mit mir, wie sagt Herr Favre das: Nischt zufrieden. Und ich musste mit mir wieder ins Reine kommen.

Diese Geschichte handelt auch von meiner oben erwähnten Beziehung, deren Ende sich zumindest von meiner Seite zwar angedeutet hatte, aber einen solchen Verlauf ich auch in dieser Konsequenz so nicht erwartete hätte. Weil mir eine Selbsterkenntnis widerfahren ist, die gleichermaßen schrecklich war und doch Klarheit brachte.

Es ist halt nicht immer einfach und ganz bestimmt nicht leicht.

Wir sind alle eine Mischung aus unserem Charakter, dem Produkt aus unserer Umwelt und der Entscheidung, was wir aus unserem Leben machen.

Warum dann amüsant?

Weil es die wahrscheinlich einzige Art war, ohne die Hilfe von Profis, mit dem, was meinem Bruder und mir passiert ist, umzugehen. Nennen Sie mich den Houdini, der Verdrängung von traurigsten Gefühlen und meine Art, damit umzugehen. Jeder hat seine Geschichte und jeder muss lernen, damit zu leben.

Und glauben Sie mir, es ist für mich nicht wirklich komisch, eher sehr tragisch und traurig. Das betrifft sowohl meine Kindheit als auch die Tage nach der Trennung. Diese waren sehr tränenreich, bis fast hin zu Nervenzusammenbrüchen und einer niederschmetternden Erkenntnis. Die Kunst der Verdrängung  ist in vielerlei Hinsicht hilfreich, aber für meine Beziehung und mein Leben war das eher tödlich. Denn ich habe nicht bemerkt, wie unglücklich ich geworden bin. Doch mein Blick ist jetzt klarer.

Wo soll ich beginnen?  Im Grunde war die Inspiration, eine Geschichte zu schreiben, schon lange da. Aber es fehlte an Zeit, Motivation und dem Fehlen von „sich die Zeit nehmen zu wollen“. 
Das kennen Sie. Bestimmt. Empfehlung des Hauses: Machen Sie es endlich. Die Zeit für Dinge, die man schon immer machen wollte, wird „jetzt“ nie besser sein. Glauben Sie mir.

Es ist natürlich nicht egal, was in Ihrem bisherigen Leben passiert ist, ganz im Gegenteil. Es ist vielmehr seinen Gefühlen eine Stimme zu geben und sie nicht ständig zu unterdrücken. Und was man aus dieser gewonnenen Erkenntnis zukünftig aus seinem Leben macht. Es gibt keine falschen Entscheidungen. Nur die, die wir nicht treffen.

Es ist immer die Angst vor den Konsequenzen. Was wäre, wenn. Man wird es nie erfahren, wenn man es nicht macht – nicht entscheidet. OK, keine Entscheidung zu treffen ist ja auch eine Entscheidung zu treffen. Gewissermaßen. Aber stellen Sie sich einfach vor, Sie täten es „jetzt“ nicht und würden sich genau diese Frage erst am Ende Ihres Lebens stellen. Einfache Antwort.

Und, bevor Sie jetzt alle Zelte abbrechen, um Ihr Leben zu ändern: Es wird schmerzhaft sein. Es ist schmerzhaft. Jetzt. Doch sind Sie bereit, es dafür zu riskieren? Oder wollen Sie lieber einen langsamen, emotionsloseren Tod sterben?

Letzterer, ob mit viel oder ohne viel Gefühl, kommt auf jeden Fall. Wir verdrängen es nur zu gerne, evolutionsbedingt. Schutzmechanismus. Interessant dabei ist, dass wir uns immer damit brüsken, so anders, als Tiere zu sein. Dass wir uns unserer selbst bewusst sind und denken können. Ha, täten wir es nur mal öfter…

 

 

Dämon 2: Glücksritter, die aneinander vorbeifahren

Es war ein langsamer Tod. Das weiß ich jetzt. Denn ich habe einige Fehler gemacht und das rächt sich jetzt. Wir haben uns gegenseitig nicht zugehört, als wir nach Hilfe gerufen haben. Natürlich hatten wir auch vorher schon viele Gespräche, tränenreiche, aber uns oft richtig gestritten in den 18 Jahren, haben wir nicht. Eine Handvoll vielleicht. Da wir schon immer sehr liebe- und respektvoll miteinander umgegangen sind, war das für uns auch eher normal.

Ein Problem war, dass diese eben erwähnten Diskussionen meistens mit Gegenvorwürfen begannen und nicht wirklich für den einen oder anderen befriedigend bzw. erleichternd waren. Es war eher oft das Gegenteil. Wir sind beide starke Charaktere und ein wenig dickköpfig und rechthaberisch. So sind solche Gespräche dann eher wie kleine Monster, die die Seele auffressen. Und man stellt wenig später fest, man ist wieder im Hamsterrad.

Das andere Problem war, und wir nähern uns damit des Pudels Kern, dass ich in sie nie richtig verliebt war. Das ist natürlich schlecht. Irgendwie nie bereit, 100% zu geben. Und das merkt die Partnerin. Ich wusste nur nicht, wie stark. Auch sie war nicht bereit. Und fuhr mit angezogener Handbremse. Ich liebe sie, aber halt nicht genug für eine innige Beziehung. Jahrelang bin ich davon ausgegangen, dass das ihr und mir reicht. Da lag ich falsch.

Sie und ich kannten uns schon lange vorher. Und als wir beide aus sehr unterschiedlichen Beziehungen unglücklich herauskamen, kamen wir uns näher. Ich mochte sie schon sehr, aber irgendwie hat sie mein Innerstes am Anfang nicht berührt. Ich habe zuerst geglaubt, ich könnte sie lieben und später ich müsste sie lieben und habe beides auch versucht. Aber das konnte nicht gutgehen. Das will ich nie mehr.

Ich will nie wieder einem so lieben und wertvollen Menschen, wie ihr, so wehtun. Letztlich habe ich fast zu spät festgestellt, wie unglücklich wir wirklich waren. Immer von Vernunft getrieben, Verantwortung, Verantwortung, Verantwortung. Das hat uns wohl beide kaputt gemacht.

Meine Vorstellung von einer glücklichen, nicht perfekten, Beziehung war immer etwas anders, als die von ihr. Meine Phantasien, Sehnsüchte, Wünsche, Hoffnungen und Träume konnte ich nicht wirklich ausleben. So habe ich diese Vorstellungen immer mehr vergraben und geglaubt, zumindest einige kommen eh nicht mehr wieder und mich damit abgefunden. Innerlich resigniert. Das stumpft ab und Gefühle verkümmern.

Die Beziehung war auf keinen Fall falsch. Wir haben es nur nicht „richtig“ gemacht. Wir hatten viele gute Jahre, aber auch einige nicht gute.  Ich habe vielmehr festgestellt, dass meine Suche nach Glück, nach meinem Glück, noch nicht beendet ist.

Es fehlte uns wohl beiden etwas Grundlegendes: Liebe. Richtige Liebe. Denn die ist uns beiden noch nicht widerfahren. Unser Glück finden. Weil wir es schon immer suchen.

Wir hatten beide unterschiedliche Erwartungen, sind beide mit der besagten Handbremse gefahren und haben uns bzgl. der Liebe nicht in der Mitte getroffen sondern sind aneinander vorbeigefahren. Das ist uns jetzt klar.

Es sickerte in den letzten Jahren eine Erkenntnis tröpfchenweise in mein Hirn, ein Gefühl, dass mich nicht losließ, ich hatte die Identität eines anderen angenommen, wie sie sich andere vorstellen und akzeptierte die Normalität dieser Anderen. Es war und ist aber nicht meine Normalität. So grundsätzlich gibt es „normal“ ja auch gar nicht.

Und das alles muss ich irgendwie verarbeiten. Ich muss verstehen, warum ich so bin. Dass es katastrophal ist, wenn man seine eigene Identität zu sehr verdrängt. Deshalb schreibe ich alles nieder. Warum der Versuch, seine Dämonen zu verscheuchen, nicht funktioniert hat. Mein größter Wunsch ist nämlich nicht nur die Suche nach Glück, sondern, dass sich so etwas nicht wiederholt.
Nie wieder. Ich brauchte Hilfe.

 

 

Dämon 3: Die Eltern oder Danke, Mama und danke für den Fisch

 

Vater 40, Mutter 26 Jahre älter als ich.  Also 14 Jahre auseinander. Wenn Sie heute einen 40 Jährigen und eine 26 Jährige sehen, klingt das nicht nur problematisch.

Und so wurde ich dann auch relativ „unproblematisch“ gezeugt: An einem Karnevalsabend 1969 durch das Unterlassen der Zuhilfenahme von empfängnisverhütenden Mitteln.
Ja. Ene Jeck. Ah, das erklärt so einiges.

Und logisch: Erzeugung ohne Romantik und ohne Liebe. Ok, ohne geistige, nicht hormongesteuerte Liebe. Letzteres hat ja offensichtlich funktioniert…oder auch nicht.

Fast 3 Jahre später kam mein Bruder zur Welt. Mein ein und alles. Er  ist der wichtigste Mensch in meinem Leben, außerhalb einer Beziehung.

Wir wurden durch unsere Eltern schon sehr früh mit dem Tod konfrontiert bzw. einem möglichen Tod. Ich war fünf oder sechs und habe es natürlich erst viel, viel später geschnallt, dass meine Mutter versucht hatte, sich durch die Einnahme von Tabletten, das Leben zu nehmen. Diese Erfahrung sollte ich noch öfter machen. Klingt genauso bitter, wie es sich anhört. Nur, dass man (ich) daraus etwas gelernt hat, anstatt daran zu verzweifeln. (Yes, think positive…das ist natürlich Quatsch.)

Ein paar Jahre später, da war ich 9 oder so, habe ich meine Mutter dann zuhause, sagen wir mal apathisch, gefunden und einen Krankenwagen gerufen, sie erahnen es: Tabletten. Ein Jahr später wollte mein Vater wohl bei dem Spiel mitmachen (schon wieder Tabletten?) und so fand ich ihn dann ähnlich.

Nach der Schule, die Brote waren schon gegessen, Klassenarbeit im Toni – hey eine zwei – das macht doch Mama und Papa stolz – und ich hatte irgendwie das Gefühl: Moment mal, hier läuft irgendetwas total falsch.

OK, sie leben heute beide noch. Da hat wohl was nicht geklappt. Hilferufe? Ja und nein. Letztlich doch die Verzweiflung, keinen anderen Ausweg zu kennen. Dramatisch für Außenstehende und natürlich  etwas – sagen wir mal – problematisch für Kinder, die wir ja waren. Damals gab es wohl keine Unterstützung seitens eines Amtes. Ich habe zumindest nie mit einem Kinder-Psychologen darüber gesprochen, nur mit meinem Bruder, unserem Vater, unserer Ersatzmutter und später auch mit Partnerinnen und Freunden. Mein Bruder hat, das hat er mir erst kürzlich noch gesagt, das so stark mit den Selbstmordversuchen, nicht mitbekommen.

Während mein Vater aber bereit war, sich stationäre psychologische Hilfe zu suchen, hat meine Mutter sich die Muße genommen, während der Abwesenheit meines Vaters, in unserem Beisein, andere Männer in die Wohnung zu holen, um sich mit ihnen zu vergnügen. Und wir waren dabei. Nicht in der ersten Reihe, aber zumindest im Hinterzimmer, kostenfrei. Kommt tooootal gut. Ehrlich. Sehr spannend.

OK, ich wusste gar nicht, das Sex und Untreue als psychologische Medikamente bzw. Therapien zugelassen sind. Tja. So kann man sich irren.

Und so verließ sie uns, als mein Vater wieder da war ………………………………………………… dann kam sie wieder ……………………. und ging ……………………. und kam …………………. und ging. Keine Ahnung wie oft in einem Zeitraum von 1- 3 Jahren. Für uns Kinder war das eine tolle Sache: Dieses Mama-Tennis.

Mein Vater konnte und wollte sich wohl nicht wehren. Auf der einen Seite war da die Hoffnung und der Gedanke, die Kinder haben ihre Mutter wieder und auf der anderen Seite hatten die beiden wohl, egal was vorgefallen ist, guten Sex. Das ist aber auch wahrscheinlich das Einzige, was meine Mutter gut konnte.

Und so kam es häufig zu diesen Situationen: Schule aus, ab nach Haus. Oh verdammt, keinen Schlüssel dabei. Mhm, Mama macht nicht auf. 
Schläft sie…? Ok, eher nicht.
Tabletten? Och nö, nicht schon wieder.
Aaah, der Nachbar hat sie weggehen sehen, mit Koffer
 …..uff, Gott sei Dank – dann ist ja alles in Ordnung.

Ja. Man stumpft dann schon etwas ab. Aus Schutz.

Unsere damalige Wohnung war ein richtiges Schlachtfeld geworden, vor allem ein Raum, nachdem meine Mutter ihre Sachen in Kartons packte und dann standen sie da. Und wir haben als Kinder, weil mein Bruder etwas suchte, alles, aber wirklich alles ausgepackt und im Schlafzimmer verteilt. Und da mein Vater damals nur teilweise da war und meine Mutter immer nur zwischendurch und  anscheinend auch keinen Bock hatte, blieb alles so liegen.

Jetzt hatten unsere Katzen aber Flöhe und die fanden das herrlich und wir auch. Wir liefen immer rein und kamen mit 10 Flöhen wieder raus und ab ins Badezimmer, tauchen. Fast schon richtig asozial. Zum Glück kamen zwei Schwestern meiner Mutter und halfen, das Chaos zu beenden.

Zwischendurch hat meine Mutter da schon die Scheidung eingereicht. Mein Vater hat dann das alleinige Sorgerecht beantragt. Das war damals ungefähr so üblich, wie Kühe über den Mond fliegen zu sehen. Und so kam „der Fall“, den ich ein Leben nenne, vor das Familiengericht.

Es sei erwähnt, dass mein Vater vorher schon der ehrliche, wenn auch nicht oft da, Mensch war, aber  uns immer gezeigt hat, wie wichtig wir ihm sind. Die Familienrichterin wollte dem Ganzen so in der Form keinen Glauben schenken (das ist auch gut so) – sie meinte, mein Vater hätte uns instruiert.

So kam es zu dem damals eher unüblichen Fall, dass mein Bruder und ich interviewt wurden und zwar getrennt. Ich bin sicher, dass, wenn die Richterin heute noch leben sollte, sie immer noch, exemplarisch von ungewöhnlichen Fällen erzählend, diesen besonders hervorheben würde.

Die Protokolle des Verfahrens habe ich noch. Irgendwo, Ich wollte sie nicht wegschmeißen. Und unser Vater bekam natürlich das Sorgerecht zugesprochen. Wir wollten ja auch zu ihm. Meine Mutter zeigte da eher Desinteresse. Sie wollte uns in ein Heim stecken. Naja, da weiß man wenigstens, wo man dran ist.

Mein Vater hat immer fair betont: Das ist eure Mutter. So haben wir sie dann auch immer besucht. Alle 2 Wochen. Vom Gericht auch so nur gestattet. Und durften uns Leih-Filme angucken auf VHS, die wir nicht hätten sehen dürfen. Sowas wie “Zombies am Rande des Wahnsinns“ und dergleichen.

Sie wohnte, wenn sie nicht bei uns war, zu Besuch, im Haus ihres Freundes, bzw. dem seiner Mutter. Ein Säufer, Kleinkrimineller und Asi vorm Herrn, nett gesagt. Meine Mutter erzählte uns auch ganz stolz, sie hätten gemeinsam auf Betriebsfeiern die Jacken der anderen geplündert. Aha. Da war doch was mit: Du sollst nicht stehlen. OK. Können wir auch.

Und so wunderten sich wahrscheinlich öfters die Verkäuferinnen im Coop-Supermarkt, warum wir immer mehrfach am Tag einkaufen kamen und hinterher immer so viele Süßigkeiten fehlten. Ich bin nie erwischt worden, auch später nicht,  mein Bruder einmal, aber später. Das machen wir schon lange nicht mehr und empfinden das heute eher als befremdlich.

Ich weiß nicht mehr ganz genau, ob das vor oder nach der Scheidung war, dass mein Bruder von diesem Arsch von Asi-Freund meiner Mutter (er ist inzwischen an Lungenkrebs gestorben) geschlagen wurde. Ein Tag vor seiner Kommunion. Mit Polizei und allem Pipapo. Die Polizei war vorher da, aber die Wohnung lief auf den Namen meiner Mutter. Also gingen sie wieder. Und dann eskalierte die Situation.

Es ging vorher um die Karten für die Kirche. Ein Telefonat, ein Gewüte, seitens meiner Mutter, und der Drohung ihres Freundes, unseren Vater zu erschlagen (daher Polizei), wenn er keine Karte für die Kirche erhält. Jeder weiß, dass diese Karten vornehmlich Verwandten vorbehalten sind. Jedenfalls hatte ich am Telefon meinen 1. Nervenzusammenbruch.

Und plötzlich standen sie vor der Tür. Mit 2 Pärchen – aha, Verstärkung – Asi-Mutter-Freund mit seinem Asi-Freund und dessen Asi-Schlampe (sorry, aber wer macht den sowas?) plus unserer Asi-Mutter.

Ja, ich spreche es endlich aus, denn sie ist letztlich vieles schuld. Sie kann sich nicht dahinter verstecken, alle anderen hätten Schuld. Wir dann etwa auch? Wir, die sie geboren hat und dann so im Stich ließ? Weil sie unfähig war, mit der Situation umzugehen? Weil sie mit der Verantwortung nicht klar kommen konnte oder wollte? Nein.

Das ist ihre persönliche Verfehlung und ich habe bis vor ein paar Jahren versucht, wenn ich mit ihr telefonierte, nicht direkt den Hörer wieder aufzulegen. Mein Bruder hat seit Jahren keinen Kontakt mehr. Er schützt sich und seine Kinder. Und das ist richtig. Das hätte ich auch besser getan. Bzw. das mache ich besser ab sofort. Sie WILL nicht gerettet werden.

Und dann kam die gerade erwähnte Polizei. Ok, Mietvertrag, aha ja sorry, Familienangelegenheit und  tschüss. Als sie weg waren, fing meine Mutter in Richtung meines Bruders an zu säuseln „mein liebster, mein Süßer“ usw. Da wollte er einfach nur rausrennen. Der eine hielt ihn aber fest – der andere wollte ihn von vorne fassen. Warum auch immer.

Und ich werde es bis heute nicht verstehen, wie mein Bruder in dem Alter das schaffte.

Von vorne kam der 1,95m korpulente Asi-Freund unserer Asi-Mutter auf meinen Bruder zu und von hinten hielt man ihn fest. Tja, sorry Mama, aber die Kung Fu-Filme hat mein Bruder sich gemerkt. Er stützte sich mit seinem Rücken bei  demjenigen, der ihn festhielt, ab und stieß mit voller Kraft mit seinen Beinen den 1,95m Mann um. Einfach so. Und der stürzte dadurch ins Esszimmer und semmelte ein paar Stühle um. Yes.

Da waren die Herren aber verwirrt und der eine ließ ihn los. Mein Bruder nutzte die Chance und spurtete an unserer Mutter vorbei, raus ins Treppenhaus. Der Freund meiner Mutter lief, nachdem er sich wieder aufgerappelt hatte, direkt hinterher und hat ihn dann im Treppenhaus gestellt. Ich bin auch hinterher. Ich sah nur noch, wie er seine linke Pranke unter das kleine Kinn hielt und mit seiner rechten Faust ihm, wahrscheinlich nicht sehr fest, auf den Kopf haute. Aber es tat schon vom Zusehen sehr weh. Und da weinte mein Bruder natürlich.

Auch da war wieder eine Schockstarre auf allen Seiten. Mein Vater und wir Kinder nutzten die Chance, abzuhauen. Sofort. Schnell. Geplant war das ja sowieso, als Notfallplan. Also hatte mein Vater vorher schnell eine Tasche gepackt und weg waren wir. Zu einer befreundeten Familie.

Die Nacht war kurz, aber wir waren sehr dankbar, dass wir dort alle bei dieser Familie übernachten konnten. Bei der Kommunion war dann natürlich auch nur unser Vater dabei. Die Kommunion selber war schon OK, nicht wirklich schön, aber OK. Wir wollten sie dann später zuhause feiern.

Und so fuhren wir wieder zurück. Ängstlich, weil wir fürchteten, sie wären noch da. Waren sie aber nicht. Stattdessen haben wir ein teilweises Chaos vorgefunden. Umgestoßene Stühle, ausgedrückte Zigaretten im Zuckerbecher, verteiltes Essen (die hatten sich noch etwas zu Essen gemacht) und ähnliches.

Wir hatten damals nur wenig Geld. Und trotzdem hatte unser Vater eine Torte und eine Flasche Sekt gekauft. Diese Flasche war leer und die Torte auch fast weg. Auch dort wurden Zigaretten ausgedrückt.

Sogar der Sparpott von meinem Bruder mit 10 Mark drin, den mein Vater während seines stationären Aufenthaltes getöpfert hatte, lag dort kaputt und war leer.

Was soll man davon halten? Wir waren fassungslos. Wie soll man sowas verarbeiten? Wenn das überhaupt jemals geht.

Mit Hilfe. Zumindest hat das teilweise geholfen.

In den letzten Tagen in dieser Wohnung auf der Aachener Straße bekamen wir Besuch von einer Frau. Ich dachte, sie wäre jemand vom Jugendamt. Und so zeigte ich ihr meine Schulnoten und sagte, mein Vater kümmert sich sehr gut um uns. Das stimmte auch. Aber ich hatte furchtbare Angst, wir müssten von ihm weg.

Sie war sehr freundlich und sogar richtig nett und gab mir 10 Mark als sie ging. Mein Vater schaute mich an und fragte, ob ich wüsste, wer das war? Ich sagte natürlich, nein und fragte, ob das denn nicht eine Frau vom Jugendamt war. Da lachte mein Vater und sagte, nein, wir waren mal vor eurer Mutter ein Paar.

Und so bekamen wir eine neue, liebe Mutter. Anita, die wir Mutti nennen durften. Sie konnte uns teilweise das geben, was man so als Kind von einer Mutter erwartet. Sie war zwar nur an Wochenenden da und auch nicht jedes. Doch war es eine sehr schöne Zeit. Und sie hatte selber zwei Töchter. Eine davon querschnittsgelähmt aber eine richtig wilde. Sie hatte später auch zwei Kinder und wollte nicht akzeptieren, dass man mit dieser Behinderung ein schlechteres Leben führt. Und das hat sie auch nicht.

Sie war für uns die Schwester, die wir nicht kennen lernen durften. Leider ist sie schon tot. Genau wie unsere zwischen meinem Bruder und mir geborene Katrin. Sie erstickte an der Nabelschnur, die sich um ihren Hals gewickelt hatte und lebte nur 2 Stunden. Es wurde darüber später nicht viel geredet, aber meine Mutter war ja schon immer dem Alkohol nicht abgeneigt. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Während dieser für unsere Seele erholsamen Zeit besuchten wir auch hin und wieder unsere richtige Mutter, aber das war eher eine Pflichtveranstaltung. Bei einem dieser Besuche, zeigte sie uns ein paar Polaroidbilder, so nach dem Motto: Schaut mal, hat der Dieter (ihr Asi-Freund) gemacht. Wir wussten ja  gar nicht, was wir da zu sehen bekommen sollten. Also schauten wir hin. Es waren Bilder von Ihrem Geschlecht. „Guckt mal, da seid ihr rausgekommen.“ Ich weiß bis heute nicht, warum sie das gemacht hat und auch nicht, wie wir das verdauen konnten.

Eventuell auch wieder durch die Zuneigung, die wir von Anita erhielten. Aber eine kleine Unterbrechung gab es dann doch noch. Sie ahnen es: Rüüüchtig.

Als ich 14 oder 15 war, bekam meine Mutter eine Rippenfellentzündung und ihr Asi-Freund hatte wohl keine Lust, sie zu pflegen. Uns so geschah es: Als ich von der Schule nach Hause kam, saß meine Mutter am Küchentisch. „Hallo, mein Süßer. Ich bin wieder da. Freust Du Dich?“

Ich hätte beinahe gekotzt. Ich hatte jetzt die Gewissheit, dass mein Vater in dieser Hinsicht wohl einen Knall hatte und auf keinen Fall missverstehen: Ohne ihn, hätten wir es nie geschafft. Mein Bruder meinte zwar, meinen Vater überredet zu haben, aber wahrscheinlich lag die Wahrheit irgendwo in der Mitte.

Mein größter Wunsch war, meine Mutter zu erschlagen, zu erstechen, auf jeden Fall zu töten. Aber am meisten machte ich mir um meinen Bruder Sorgen. Und natürlich um Anita.

Wir telefonierten dann auch schnell miteinander. Wir wussten beide nicht, was meinen Vater da geritten hatte (Ich habe ihn, als meine Mutter nach sechs sehr sehr sehr langen Wochen wieder weg war, darauf angesprochen. Er wusste es nicht, hatte aber seinen Fehler eingestanden).

Anita wollte jedenfalls noch ein paar persönliche Sachen holen und ich sagte, ich bin hier. Du bist meine Mutter. Als sie kam, wollte sie zuerst wegen unserer leiblichen Mutter nicht mit rauf. Ich bestand darauf und sagte ihr, wenn jemand das Recht hätte, in unsere Wohnung zu kommen, dann nur sie. Also gingen wir hoch.

Meine Mutter und mein Bruder saßen am Küchentisch und spielten Karten. Ich sah meinen Bruder nur aus dem Winkel, doch konnte ich seinen verstörten Blick sehen. Er war hin und her gerissen. Dafür habe ich sie richtig gehasst.

Meine Mutter drehte den Kopf und sagte: „Was will die Schlampe hier?“ Und ich antwortete: „Diese „Schlampe“ ist meine Mutter. Du bist es nicht mehr.“ Und so ging sie nach den besagten Wochen wieder. Da ich das ja vorher wusste, legten sich meine Mordgelüste, ging ihr aus dem Weg, sprach kaum mit ihr und ich ertrug die Tage.

Ein Jahr später, glaube ich, wollten unsere Großeltern mütterlicherseits dann ihre Goldene Hochzeit feiern und luden alle ein, bis auf meinen Vater. Der Kontakt zu unserer Mutter war da schon fast abgebrochen. Da rief ich sie aus Neugier an und hab mal so durch die Blume gefragt, warum und habe erfahren, dass sie ihnen erzählt hatte, sie müsste noch viele Schulden zurückzahlen, die sie wegen meines Vaters und der in die Brüche gegangen Selbstständigkeit aufgenommen hätte. Und wir wussten ja, dass sie das alles für ihren Arschlochfreund gemacht hatte.

Da habe ich unseren Großeltern erstmal einen ziemlich langen Brief geschrieben, der außer dem Quatsch, den unsere Mutter da verzapfte, auch alles hier Beschriebene enthielt. Die Vermutung lag nahe, dass sie es da auch nicht so mit der Wahrheit gehalten hatte.

Und so wurde die ganze Familie, also meine Mutter und wir Kinder, ausgeladen. Super, nicht wahr? Wir wollten ja sowieso nicht hin, denn sie hatten es nicht so mit der Familienliebe, sondern eher mit dem „Schein wahren“. So hatten wir als Kinder auch nie ein herzliches Verhältnis zu ihnen.

Mein Bruder hat viel später, als er noch mit ihr redete, unsere Mutter gefragt, warum sie das alles gemacht hat und wir dadurch einer schönen Kindheit beraubt wurden. Ihre Antwort war ehrlich: „Ich hatte auch eine scheiß Kindheit“. Ach so…. Danke, Mama.

Ich habe später den Kontakt mit meiner Mutter wieder aufgenommen. Denn da war sie schon nicht mehr mit diesem Arschloch zusammen, lebte aber noch in einer eigenen Wohnung im gleichen Haus und ich habe geglaubt, vielleicht „normalisiert“ sich einiges. Natürlich nicht. Ich habe sogar in der gleichen Firma, wo sie gearbeitet hatte, meine Ausbildung gemacht.

Die Jahre waren ja ganz OK, auf der Arbeit trank sie ja auch nicht. Aber häufig, wenn ich sie zuhause besuchte oder sie anrief, war sie betrunken. Und dann säuselte sie immer von ihrer schlechten Kindheit und ihren Verfehlungen, aber verzeihen konnte ich ihr nicht.

Ach ja, sie ahnen es bereits wieder, zwischendurch hat sie dann nochmal versucht sich das Leben mit Tabletten zu nehmen. Ich wurde angerufen, dass meine Mutter nicht zur Arbeit gekommen wäre und ob ich wüsste, warum.

Tja, wusste ich ja auch oder habe es mir gedacht. Einer meiner besten Freunde, war auch dabei, er hat mich gefahren. Vorher rief ich noch die Polizei und den Rettungswagen an. Es war nicht weit weg und irgendwie kamen wir alle gleichzeitig an und natürlich: Tabletten.

Ein Polizist erklärte mir dann, dass wenn sich dies wiederholte, sie Gefahr lief, entmündigt zu werden. Und ja, das wäre wahrscheinlich auch für sie das Beste gewesen. Aber es kam nie dazu.

Ich weiß aus ihren Erzählungen von früher, dass ihre Kindheit wirklich beschissen war. Ihr Vater war ein Arsch. Sie hatte wohl schon als Kind sowas wie Unkrautvernichtungsmittel getrunken, das ihre ganze Speiseröhre und den Rachen verätzte. Auch, dass sie mit 17 schwanger war und das Kind wegen ihrer Eltern zur Adoption freigeben musste, aber das kann und darf keine Entschuldigung sein.

Ich hatte eine scheiß Kindheit und ich habe mich für eine ganz andere Richtung freiwillig entschieden. Das hätte sie auch machen können. Hat sie aber nicht.

Liebe kann und konnte ich ihr nicht entgegenbringen. Warum auch. Ich habe sie ja nie von ihr erfahren dürfen. Ich brachte und bringe heute noch nur das schlimmste Gefühl, was man einem Menschen, der einem so nahe stehen sollte, entgegen: Mitleid.
Davon sollte ich mich allerdings auch noch trennen.

Ich habe mich natürlich mit meinem Bruder über diese Geschichte hier unterhalten und er gab mir zwei Briefe, die vieles bestätigen und einiges mehr zeigen. Denn die Verfehlungen hörten einfach nicht auf. Darum hat mein Bruder den Kontakt abgebrochen. Er hat mir bei der Unterhaltung noch etwas erzählt.

Meine Mutter musste beruflich nach Hamm umziehen, dort haben wir sie dann manchmal besucht und ihr bei einigen Dingen geholfen. Bei einem Besuch meines Bruders erzählte sie ihm dann, sie würde bei Vollmond sich nackt ins Bett legen und masturbieren, weil sie hofft, ihr verstorbener Vater schaue zu.

Noch Fragen?

 

Der Vater

Mein Vater hat uns durch seine Entscheidung, für uns da sein zu wollen, das Leben, welches wir heute führen, überhaupt erst ermöglich. Nein, auch er ist kein Heiliger, aber mit 50 Jahren zu entscheiden, ich ziehe meine beiden Kinder bis zum Abi groß, ist schon bemerkenswert. Und das hat er auch geschafft.

In der kritischen Mama-Tennis-Zeit hat er versucht, Mutter und Vater gleichermaßen zu sein. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Gute-Nacht-Abend. Wir lagen alle drei im Bett, der Vater je einen Sohn an seiner Seite, er krabbelte uns, hielt uns im Arm und erzählte uns spannende Geschichten aus seiner Kindheit. Das war sehr schön.

Wir hatten nie viel Geld. Das Immaterielle gewinnt dann sehr an Bedeutung. Wir hatten uns. Haben viel geredet und hatten uns lieb. Klar ist so eine Männer-WG auch für eine Wochenend-Ersatzmutter anstrengend. Wir hatten häufig Chaostage. Aber das war uns echt egal.

Als mein Vater dann immer öfter zu Anita fuhr, haben wir uns bereits selber gut helfen können. Sonst hätte mein Vater das auch nicht gemacht. Ich konnte vorher schon ganz gut kochen, aber in dieser Zeit lernte ich auch noch alles andere, wie Wäschewaschen usw. OK, das Putzen war nicht so mein Ding. Aber es reichte für meinen Bruder und mich. Und so wurden wir erwachsen.

 

Fazit

Rückblickend erscheinen mir selber die Dinge noch zu frisch. Es ist ja auch nicht einfach, mit sowas klar zu kommen. Wenn mein Bruder und ich uns darüber unterhalten -und das kommt heute eher seltener vor-  dann  sehen wir das eher entspannt. Eher als Warnung und Dankbarkeit, dass wir weder so wurden, wie unsere Mutter, noch das wir auf irgendeine schiefe Bahn geraten sind, noch das wir irgendwelche Vollhonks wurden. Die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit haben wir von unserem Vater erhalten und das man respektvoll miteinander umgeht, auch.

Es ist zumindest heute für mich nicht mehr verwunderlich, allen gerecht und von allen gemocht werden zu wollen. Ich will auch nur geliebt werden. Und ich möchte gerne Liebe geben und will nicht, dass andere so etwas spüren sollen, wie ich es gespürt habe. Denn das erscheint mir mit das Traurigste auf der Welt zu sein: Fehlende Liebe.

Ich habe bestimmt dadurch einen eigenen Charakter entwickelt, diesen aber auch aufgrund meiner späteren Erfahrungen weiterentwickelt und mich für viele ganz andere Dinge entschieden. Es geht. Ich weiß es. Die Summe aller Teile, nicht wahr?

 

Ach ja, der Fisch: Auch dafür herzlichen Dank, Mama, dass ich Fisch nicht so gerne mag. Ok, ich trau mich mittlerweile an Weißfisch ran, aber als Kind gab es bei uns häufig: Kochfisch in Dill-Senf-Soße!

Da bekam man als Kind schon mal so eine Ahnung, was mit der Apokalypse gemeint ist.

 

 

Dämon 4: Partnerschaften oder: Wie hält man es mit uns aus

Sie und ich kannten uns ja bereits wie anfangs erwähnt. Die beste Freundin meiner heutigen Schwägerin? Ääääh, der Bruder, vom Freund meiner Freundin?…usw.

Ich, gerade aus einer 11 monatigen Beziehung kommend (da bestehe ich darauf, dass das kein ganzes Jahr war….), soviel wie man in dem Alter als ein Mensch, wie ich, bereit war/ bin, in die (oder „jede“) Waagschale zu werfen, nämlich: Vooooraaaan – und was war: Viel Sex, keine Liebe. OK, nicht, was ich erwartet hatte – und sie desillusioniert, nach 2 mehrjährigen Beziehungen, die ihr beide nicht gut taten, sie sie aber ausgesucht hatte. Samariter-Effekt und beides keine tollen Kerle.

Und beide dachten wir: Hey, der/ die tut mir jetzt gut.

Während ich also noch über die „rhythmische Sportgymnastik“-Beziehung sinnierte und sie mit dem männlichen Geschlecht haderte, stand er da: Ich. Ey, ich zeige Dir, dass es auch anders geht.

Und so wurden wir ein Paar. Wir haben uns 6 Monate gegen den Begriff „Beziehung“ gewehrt und so lustig, wie das klingt, war es auch. Wir hatten Spaß, Spaß an der Freud.

Wenn ich heute darüber nachdenke, weiß ich nicht mehr genau, was alles in den vielen Jahren genau passierte. Nur, richtig verliebt war ich nicht. Und das tut mir heute noch leid, denn sie hätte und hat es verdient, richtig geliebt zu werden. Und am Anfang dachte ich, dass ich ihr gut tue. Aber ich fühlte mich, wahrscheinlich wegen der fehlenden Einstellung, eingeengt. So richtig wollte der Vogel wohl nicht in den Käfig, piiiep. Und da fingen die ersten Diskussionen an.

Die Erwartungshaltung war eben unterschiedlich. Immer bitter. Das war kurz nach den vorher genannten sechs Monaten und wir lebten noch nicht zusammen. Um die Zeit herum habe ich meinen PKW-Führerschein gemacht. Jaaa, lachen Sie ruhig, Spätzünder – da fuhren die meisten schon acht Jahre. Und so saßen wir im Auto, hatten wieder diese –ich will eine Beziehung / ich will aber Spaß-Diskussion- und da sagte sie: „Ich will auch mal geliebt werden und meinen Mann, den Prinzen in der schillernden Rüstung heranreiten sehen, um mich zu retten.“

Jajaja, das Ego ist schon ‘ne Sau. Sie können sich vorstellen, jetzt, da Sie mich etwas besser kennen, was das in mir hervorrief? Rüüüchtig: Edel, gutmütig und gerecht. Das wollte ich für sie sein. Und so zogen wir zusammen. Ich wollte versuchen, sie zu lieben.

Die, darf man den Begriff so nennen, „handelsüblichen“ Diskussionen bzgl. was, wo, wie, welche Farbe usw. kannten wir nicht. Wir hatten beide unseren Geschmack und haben immer eine Lösung gefunden. Der Spaß war schon noch da, aber Routine ist der Feind. Da zumindest schon. Was hat das jetzt alles mit Romantik zu tun? Wir haben beide den Absprung vermasselt. Das wäre zumindest fair gewesen. Aber ich fühlte mich verantwortlich – aber spürte keine tiefe Liebe. Und das hätte ich gerne gehabt, habe es aber verdrängt. So vergaß ich, was mir selber gut hätte tun können und ließ das Schicksal gewähren. Hört sich an, als hätte ich einen Schuldigen gefunden: Das Schicksal. Ja, schon. Aber mit Namen: Alexander.

Und so wurden aus Spatz und Hase 2 Spatz’n‘hasen und wir fanden uns selber drollig. Es war aber auch ein tolles Gefühl. Wir kreierten oder benutzten neue Wörter wie spatzwanderten, Bibothek, Minimü, Gute-Nacht-Licht-Master-Chief und vieles mehr.

In den Augen, der anderen,  waren wir immer das „so-will-ich-die-Beziehung-auch“-Paar. Unsere Probleme hörten meistens hinter der Haustüre auf. Blieben oft unausgesprochen und/ oder wurden verdrängt. Speziell ich, entwickelte da so eine Technik, die schnell die NSA auf den Pla…bitte? Ach so: Geheimhaltungsvertag. Jaja, da war was. Sorry. Darf ich nicht weiter erläutern, sonst müsste ich Sie töten.

Und so fing ich wahrscheinlich schon damals an, mir gedanklich ein Hintertürchen offen zu halten. Getreu nach dem Motto: Drum prüfe, wer sich ewig bindet…Ach ja, die Evolution: Alles ficken, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, aber keine Verantwortung übernehmen wollen.

OK, ich bin schuldig, auch nur ein Mann zu sein. Aber ich bin nie fremdgegangen. Ich brauchte mir nur den Schmerz vorzustellen, den sie hätte durchleiden müssen. Also war das ritterlich abgeschmettert. Und was machte bzw. dachte sie? Was war ihre Hoffnung?

Irgendwann wird er mir mehr Gefühle entgegenbringen. Mehr romantisch sein. Mich mehr lieben. Und das konnte ich nicht, zumindest nicht so, wie sie es gebraucht und verdient hätte. Ihre eigenen Probleme standen uns auch oft im Weg. Aber irgendwie stimmte bei mir die „Chemie“ nicht. Denn eigentlich bin ich ein Romantiker und sie eher die Distanzierte, Kühlere, Vernünftigere. Vielleicht hätte es dann funktioniert. Wie sagte sie das vor ein paar Tagen: Gefühle kann man nicht erzwingen. Wie Recht sie damit hatte.

 

 

Dämon 5: Sehnsüchte, Träume und Wünsche

Hoffnung ist die Wiese, auf der die Narren grasen. Ich Depp. Ich hoffte, dass sie…/…sie hoffte, dass ich…. Also kam es alle paar Monate zu Diskussionen.

Die Abstände waren da bei uns schon erstaunlich. Andere hätten sich im selben Zeitraum schon gegenseitig 10 Mal zerfleischt. Dafür war das auch schon mal intensiver. Wobei nicht wirklich viel kaputt gegangen ist. Zumindest  materiell nicht. Und trotzdem haben wir uns zusammengerissen, egal, was für Probleme wir hatten und wir kauften ein Haus.

Warum? Überraschend, nicht wahr? Für sie war es die Erfüllung eines Traums, dachte ich zumindest aber ich hätte es besser wissen müssen. Denn die letzte Entscheidung traf ich und nicht sie. Aber ich war ja auch auf der Narrenwiese….und ich bin ein Ritter. Hätte bestimmt komisch ausgesehen: Fast 100 Kilo, 1,71m, Kettenhemd……und den Rest gestatte ich Ihnen selber. Ich wollte, dass wir beide zur Ruhe kommen und habe natürlich gehofft, dass sich vielleicht noch etwas ändert. Da ich da noch selbstständig war, fand ich den Gedanken, im Alter keine Miete zu zahlen, auch vernünftig.

Urlaub war für uns beide sehr wichtig. Wir hatten mehr Zeit und vor allem mehr füreinander – kein Fernsehen – keine Playsi usw. Das entwickelte sich aber aus meiner Sicht immer mehr zur Routine.

Mit meiner Lebenseinstellung und dem Steh-auf-Männchen-Effekt, benötigte ich meistens keine längere Auszeit nach der Arbeit. Ich war ja danach nicht mehr da. Für mich gilt meistens: Keine Arbeitszeit = Urlaub/ Freizeit. Aber ich habe auch beizeiten viel erzählt, aber hinterher war ich dann wieder klar.

Sie ist da etwas anders gestrickt. Viel Verantwortung, viel mit sich rumschleppen und leider, nicht durch die Tür gehen. Und so entwickelten sich unsere Probleme zum Drehrtüreffekt. Lippenbekenntnisse beiderseits, aber keine Bereitschaft WIRKLICH etwas zu ändern – da war es wieder: Das Huhn und das Ei. Oh ja, das birgt richtig Potential für Frustration, Trennungsangst und eingeschränktem Ego. Und das bei zwei solchen Charakteren. Wie kann das gut gehen? Sie ahnen es: Gar nicht.

Man ist halt, wie man ist. Und man erwartet doch voneinander, anders zu sein. Wir hätten jetzt auch noch ein oder zwei Jahre so weitermachen können, aber im Grunde wäre es, meiner Meinung nach, genauso, nur später dazu gekommen. Warum eher?

Das Leid der Idealisten ist, Ideale verwirklicht sehen zu wollen. Und ich bin ein totalitärer Idealist. Zu streng mit sich selber (ach ja, Mitleid) und doch gefangen in dieser Konstellation. Also träume ich, seitdem ich mit einer Partnerin zusammen sein möchte, von diesen Idealen. Dazu gehört u.a., dass ich es als total schön empfinde, wenn aus zwei Personen etwas Neues, etwas Tolles entsteht. Jeder 50% = 150%. Ein Träumer, wie er im Buche steht.

Also träumte ich von DER Beziehung. Gedanken an andere Frauen und der Erfüllung meiner Sehnsüchte und Träume habe ich mir im Kopfkino und wo sonst so Platz war per Do-It-Yourself-Verfahren erlaubt. Letztlich fühlte ich mich in der Zweisamkeit sehr einsam. Und das betraf nicht nur mich selbst. Ihr ging es nicht anders. Ich fühlte mich nur so an, mittlerweile, dritter Stelle versetzt, wenn es um die Bewältigung von Problemen ging. Erst Arbeit, dann Wohnung/ Haus, dann eventuell Alexander. Das betraf das Körperliche als auch das Seelische. Auch ich zog mich immer mehr zurück und so litten wir beide.

Und gerade als ich die Tür für mich selber und meine Ideale in dieser Hinsicht zugemacht habe, treffe ich eine andere Frau, die es tatsächlich ohne Zutun schaffte, in meinen abgestumpften ausgetrockneten Liebesgeist Leben einzuhauchen. Ich weiß bis jetzt nicht, diese Gefühle einzuordnen, doch waren oder sind diese Gefühle sehr schön und vor der Trennung erschreckend zugleich. Schön, dass ich noch etwas empfand und erschreckend unedel für einen Ritter.

Das trug ich dann mehrere Tage mit mir rum und kämpfte mit der Gerechtigkeit. Bis ich verstand. Ich musste reden. So ging das nicht weiter.

 

 

Dämon 6: Selbsterkenntnis oder wann habe ich festgestellt, dass mit mir wirklich etwas nicht stimmt?

Einiges habe ich gewusst, aber verdrängt. Sie erinnern sich: Houdini. Aber mir fiel in den letzten Jahren immer mehr auf, dass wir uns viele, auch teure, nicht unbedingt notwendige Dinge gekauft haben. Und ich wurde das Gefühl nicht los, wir versuchen beide damit etwas zu kompensieren.

Ganz krass ist mir das bei unserem letzten Urlaub aufgefallen. Da haben wir mal eben auf einem französischen Straßenmarkt drei Lederjacken für über 1000€ gekauft. Wir brauchten nicht unbedingt drei und vor allem nicht so teure.

Es ist auch sehr schön, wenn man sich mal Dinge leistet, die man eigentlich gerade nicht braucht. Das meine ich auch nicht. Es war eher eine Feststellung, dass wir das sehr häufig gemacht haben. Ich auch. OK, ich habe da etwas gemerkt: Ich fühlte mich unglücklich und auch ein wenig hilflos. Aber da habe ich mir auch noch nicht weiter zugehört.

Es gab auch noch viele andere Dinge, die ich nicht alle aufzählen kann und auch nicht möchte. Unter anderem z.B., dass ich immer dicker wurde, wie ein kastrierter Kater und ich trank zu viel und zu viel heimlich, rauche wie ein Schlot und bin ein Nasensprayjunkie.

Der emotionale Durchbruch kam wohl, als wir uns den 3. Teil von „Die Tribute von Panem“ angesehen haben. Ich habe bei einer bestimmten Szene, wo die Protagonistin ein Lazarett betritt, bitterlich geweint. OK, ich weine öfter schon mal vor Freude oder Trauer bei Filmen, aber da war es gänzlich anders.

Die Hauptdarstellerin ging langsam und voller Entsetzen ohne etwas zu sagen durch den Raum. Das Murmeln der Leute wurde immer leiser, bis alle stumm waren, weil sie jetzt erkannten, wer das war. Einer erhob sich und machte das Zeichen der Revolution. Und alle anderen folgten seinem Beispiel. Das hat mich echt fertig gemacht. Von ganz unten rollten Gefühlswallungen über mich, wie ich sie lange nicht mehr gespürt hatte.

Diese Frau stellte für alle Hoffnung dar, in einer Zeit, in der es keine gab. In der alle Kleinen und Schwachen von einer totalitären Diktatur unterdrückt wurden. Und da dachte ich noch, dass der Grund für meinen Ausbruch, allein meinem Gerechtigkeitssinn geschuldet war. Ich habe mich sowas von geirrt.

Als ich mit ihr redete um unsere Beziehung zu beenden, empfand ich am Anfang gar nichts. Noch nicht mal wirklich Erleichterung. Das überraschte mich, als Gefühlsmensch. Sie ging in die Küche und brach dort unter Tränen zusammen.

Ich folgte ihr, in der Hoffnung, sie trösten zu können. Ihr wurde gerade der Boden unter den Füßen gerissen, aber ich musste es tun. Als ich die Arme um sie legte, sagte sie, sie werde sich ändern, aber in dem Moment wusste ich, wie falsch das gewesen wäre.

Und, ich kann es nicht anders beschreiben, meine ganzen unterdrückten Gefühle brachen über mich zusammen, wie bei einem der Ice Age-Filme, wo das Eichhörnchen die Nuss herauszieht. Ich heulte, wie schon lange nicht mehr und sagte, ich hätte das Gefühl, so nicht mehr lange zu leben, weil ich so unglücklich war und sich dies auch körperlich bemerkbar machte. Eher so, als hätte mein Arzt mir gesagt, ich hätte nur noch drei Tage zu leben. Ich WILL aber leben, ich kann so aber nicht mehr weitermachen. Die Worte sprudelten nur so heraus. Und da haben wir uns dann beide getröstet.


Am nächsten Tag gingen wir spatzwandern und ich wollte ihr näher erklären, warum ich diese Entscheidung getroffen habe. Wieder flossen viele Tränen und dann überkam mich das gleiche Gefühl, welches ich vorher beim Film hatte und mir fiel diese Szene wieder ein. Nur mit dem Unterschied, dass es noch viel heftiger war, weil ich da erst richtig verstanden hatte, warum mich das so fertig macht bzw. gemacht hatte.

ICH war der totalitäre Staat, der seine eigenen Gefühle jahrelang unterdrückt und verdrängt hat. Und ich habe Rotz und Wasser geheult.

Und für mich als Optimist war das wirklich hart. Meistens bin ich fröhlich, doch ich hatte da ein ganz klares Bild vor Augen, wie ich mein Seelenheil sah und wie ich mit diesem in der Vergangenheit umgegangen bin:

Am Rande eines Schlachtfelds schaue ich über alle Toten, Verstümmelten und Verletzten hinweg, die meine Gefühle, Träume und Sehnsüchte zeigen, der Rauch verzieht sich etwas, es ist früh am Morgen und ich sehe den Sonnenaufgang und sage „Oh, wie schön.“

Warum hatte ich überhaupt endlich den Mut gefunden, meinen Gefühlen eine Stimme zu geben?

Es war ein Gespräch mit einer anderen Frau. Auch ich habe in den letzten Jahren mal mit anderen Frauen geflirtet, ist ja auch schön. Aber nie mit dem Gedanken, dass das etwas in mir auslösen könnte. Ich bin eine sehr treue Seele. Fremdgegangen sind wir uns beide nie. Und ich dachte, ich sei immun gegen derartige Gefühle, weil ich in dieser Hinsicht eher ritterlich bin und ich  solche Gefühle auch nicht wollte und mir daher auch nicht gestattete (sofern das möglich ist/ war).

Ich weiß nicht, warum oder wie dieses Gespräch in eine solche Richtung ging. Wir kennen uns ja schon länger und fanden uns schon immer sympathisch. Aber was da mit mir passierte, ähnelte eher einem sich Verlieben, als nur einem Flirt. Ihr ging es genauso. Und so verließen wir das Lokal mit der Erkenntnis, dass ich eine feste Beziehung hatte, an der momentan nicht zu rütteln war, aber wir beide als Erwachsende es schön fanden, uns diesen Gedanken hinzugeben und so offen darüber sprechen zu können. Und wieder hatte ich mich geirrt.

Ich konnte an diesem Abend nicht sofort ins Bett. Ich war total durcheinander und konnte das nicht einordnen und kann es immer noch nicht. Mir? Ausgerechnet mir passiert sowas? Ich hatte damit überhaupt nicht gerechnet. Für mich gab es keinen Platz für solche starken Gefühle.

So nuckelte ich zwei Stunden an einer Flasche Bier rum und zappte durch die Kanäle, um mich ab zu lenken. Und das einzige,  was ich die ganze Zeit nur herausbrachte, war ein: „Oh Gott“, alle paar Minuten. Ich dachte, ich sei krank und mir würde es bald wieder besser gehen.

Doch dann musste ich in den Tagen darauf feststellen, dass mir dieser Abend und sie nicht aus den Kopf gingen. Und suchte den Kontakt. Wir hatten uns wohl beide durcheinander gemacht.

Mehrere Tage bin ich mit Schwermut durch den Tag gegangen, der nicht fassbar war und irgendwie doch Klarheit brachte, dass ich so nicht mehr weitermachen konnte, weil ich es als falsch empfand, solche Gefühle einer anderen Frau gegenüber zu empfinden, die ich meiner eigenen nicht entgegenbringen konnte. Und so suchte ich das Gespräch mit ihr und beendete unsere Beziehung.

Irgendwie war dieser Abend,  das I-Tüpfelchen eines langen Weges der Selbsterkennung, Selbstbestimmung. Auch ich hatte Angst vor Konsequenzen. Doch wie groß könnten diese denn sein, gegenüber der Verantwortlichkeit meines Lebens?

Mir wurde klar, dass keiner sich verbiegen sollte, anpassen ja, aber nicht verbiegen. Seine eigentliche Identität zu verlieren, ist falsch und man vergeudet Lebenszeit, die wir alle nicht haben. Erwartungen in jemanden zu setzen, der sie nicht erfüllen kann, aber dennoch zu hoffen, dass sie sich irgendwann erfüllen, kann nicht der Weg sein.

Ich habe den Gedanken an eine Beziehung, wie ich sie erwähnte, nicht gänzlich aufgegeben, aber sehe das jetzt etwas anders. Erwachsener. Aus einem anderen Blickwinkel. Und ich werde mich bestimmt nicht direkt in die nächste Beziehung stürzen.

Sie sagte schon, ich kann nicht lange alleine sein. Ja, da hat sie nicht ganz unrecht, aber ich kenne das von früher bereits. Sie noch nicht. Was mir oder einem anderen Menschen jetzt zurzeit nur am wenigsten fehlt, ist der nächste Zwang, das nächste Unglück.

Sehr wohl suche ich wieder, aber anders, nicht sofort und nicht mit aller Macht. Ich möchte ja auch, dass man mich so nimmt, wie ich bin. Es sollten sich Dinge ergeben, von alleine, dann wird sich alles Weitere zeigen. Die Akzeptanz, Fehler zu haben und mit diesen auch leben zu können, sollte da eine Voraussetzung sein.

Ich genieße jetzt meine Freiheit. Und das heißt für mich jetzt nicht, nach Frauen und kurzfristigem körperlichen Befriedigungen zu suchen. Dafür brauche ich einfach auch das Vertrauen zur Person, das wäre sonst nicht ich.

Meine Kreativität ausleben, feststellen, was ich noch Neues lernen kann, eventuell daraus einen Beruf machen, andere Sachen ausprobieren: Das sind die Dinge, die mir vorschweben.

Diese Tage waren sehr traurig, aber sehr hilfreich. Irgendwie fühle ich mich erleichtert und blicke nach vorne, aber auch gerne zurück. Sie wird immer mein Spatz sein und wir haben uns das gegenseitige Versprechen gegeben, gegenseitig aufeinander aufzupassen. Und das werden wir auch halten. Wie sagte sie das: Wir sind uns nichts schuldig – wir sind uns etwas schuldig geblieben.

Und so haben wir beide einen tollen Partner verloren und einen tollen Freund gewonnen.

Welche wahren und tiefen Gefühle ich für den neuen Menschen in meinem Leben wirklich empfinde? Ich weiß es jetzt nicht. Noch nicht.

Ich möchte Gefühle wieder zulassen. Denn eins weiß ich jetzt: Mir bedeuten Gefühle und Emotionen alles. Ich kann einer Partnerin alles geben, was sie braucht. Es bedeutet mir sehr viel. Aber dafür muss ich sie auch aufrichtig lieben. Dann kann ich auch erwarten, dass ich gleichermaßen geliebt werde.

Wir haben alle nur ein Leben. Macht was daraus.

Die Vergangenheit ist gewesen, aber wird immer ein Teil von mir sein.

Die Gegenwart ist ein Moment.

Die Zukunft beginnt…3…2…1…Jetzt.

Der Boden war hart und ich hatte Schmerzen. Ich wusste nicht genau, ob ich jetzt tot bin oder etwas in mir gebrochen war. Aber ich wusste, dass ich aus einem Fenster gestoßen wurde. Nur nicht, warum.

Und es tat höllisch weh.

Ich drehte mich um und schaute in den Himmel. Tot war ich anscheinend nicht und irgendwie doch. Der Himmel war dunkel und es schien kein Mond und doch wusste ich, er kommt wieder. Und wacht über die Stadt. Über mich.

Und so traute ich mich, in das Fenster zu blicken, um heraus zu finden, wer mich aus dem Fenster geworfen hatte. Und ich sah mich, mein Gewissen, meinen Dämon, freundlich lächelnd und es sagte:

„Steh auf, Du Idiot, das war doch nur das Erdgeschoss“.

Also stand ich auf und klopfte mir den Staub aus den Sachen.

Und das ist das Ende. Ein Anfang.

 

 

Anhang

Briefe von meinem Bruder an unsere Tante und unsere Mutter vom 13.08.1998, abgetippt, mit allen Fehlern.

Brief an unsere Tante

Mönchengladbach, 13.08.98

 

Liebe XXX!

Erstmal vielen Dank für Deine Karte.

Ich hätte mich sehr gefreut, wenn er aus einem anderen Anlaß gekommen wäre.

Ich finde es sehr schade, daß Du mir so durch die Blume zu sagen versuchst, „Melde Dich bei Deiner armen Mutter!“

Gleichzeitig bewundere ich es sehr, daß Du für Deine Schwester in die Bresche springst. (Erklärung folgt sofort)

Ich habe einige Wochen, ich glaube es sind ca. 800 bis 900 Wochen! keine Post von Dir erhalten und glaube daher auch nicht, daß Du MIR schreibst.

Und glaub mir, die tolle family, die zusammenhalten muß, habe ich in den letzten 15 Jahren zur Genüge kennen-  und schätzengelernt.

Ich frage mich nur, wo in den letzten 9 Jahren!, die wir mit Papa alleine um unsere Existenz gekämpft haben, die tolle Familie war. Wir haben es ganz alleine geschafft/schaffen müssen/ schaffen wollen! Trotzdem vielen Dank für diesen super Zusammenhalt!

Versteh mich bitte nicht falsch, die Ironie in diesem Brief richtet sich nicht gegen Dich allein und ich habe auch nie irgendeine Hilfe erwartet aber im Gegenzug möchte ich heute, daß von mir nichts erwartet wird.

Ich habe mein Leben im Griff. Ich habe es trotz denkbar schlechter Voraussetzungen geschafft und ich bin heute durchaus in der Lage festzustellen, was mir hilft, und was mir schadet. Daher habe ich bezüglich Mama eine Entscheidung getroffen.

Wenn Du mich richtig verstehst, dann habe ich mich nicht gegen Sie, sondern für mich entschieden. Du weißt ja: „Change it, leave it, or love it.“

Da ich Mama nicht ändern kann, Sie so aber auch nicht akzeptieren will, bleibt mir nur Sie zu verlassen.

Glaub mir bitte, wenn ich sage, daß ich meine Gründe dafür habe, ich möchte Dir jedoch das Lesen alter und neuer Kamelle ersparen und obendrein bin ich auch nicht gewillt Rechenschaft über diese, meine Entscheidung abzulegen.

Ich bin mir sicher, daß Du mich verstehst und glaube, daß Du Deiner Schwester helfen wolltest, so wie ich auch jederzeit Alexander helfen würde.

Jetzt magst Du denken, das ist sehr hart oder grausam aber dann solltest Du mich mal nach meiner Kindheit und der jüngsten Vergangenheit fragen. Dann weißt Du was wirklich hart oder grausam ist. Und wie daß im Leben nun mal so ist; „Wir ernten immer was wir säen.“ Oder „Jeder bekommt, was er verdient!“

Heute möchte ich einfach nur mein Leben leben, mit meiner Familie, die ich mir selber aufgebaut habe.

Meine Familie, das sind vor Allem meine Frau und Alexander, sowie Papa von dem ich leider sehr wenig höre und meine Schwiegereltern.

Hier habe ich heute meinen Rückhalt und bekomme die Kraft und das Vertrauen, das ich brauche. Kurz hier bin ich glücklich. Also eine Geschichte mit Happy End, die keine weiteren Darsteller braucht!

Jetzt ist aber Schluß mit den vielen Worten.

Ich freue mich, von Dir gehört zu haben und würde mich noch mehr freuen, wenn Du mir mal um meinetwillen schreiben würdest.

Bitte grüße alle ganz lieb von mir!

 

 

 

Brief an unsere Mutter

Mönchengladbach, 13.08.98

Liebe Mama!

Eigentlich hätte ich gerne Alles einfach so auf sich bewenden lassen, aber die Meldungen Deiner Geschwister häufen sich.

Ich frage mich nur, was denn wohl als nächstes kommt!?!

Vielleicht ein Fax von XXX? (Nichts gegen XXX, der ist mir von allen noch mit am liebsten, außerdem kommt er aus meinem Lieblingslager meiner Verwandtschaft; schöne Grüße an den XXX Clan, ich find‘ Euch gut!) Oder aber eine Einladung von XXX, dem plötzlich einfällt, daß er uns seit ein paar Tagen nicht gesehen hat und sich riesig über einen Besuch von uns freuen würde?

Egal was da kommen mag, es wird mich nicht umstimmen.

Es ist geradezu schon eine Beleidigung an meinen Intellekt und an meine Intelligenz, daß eine Deiner Schwester mir einen Brief schreibt, in dem sie mich schön grüßen will, jedes zweite Wort aber Mama ist. Obendrein bewundere ich diesen Sinneswandel zwischen Euch. Ich erinnere mich nur an sehr wenige gute Worte die Ihr über Euch zu sagen hattet (siehe Erbschaft). Nahezu der blanke Hohn. Also tu mir und Euch doch bitte einen Gefallen und unterlaß diese simplen Versuche meinen kindheitlich weichen Kern zu finden um mich einzuwickeln.

Ich habe mich sehr stark weiterentwickelt und kann auch sehr gut die unangenehmen Dinge dieses Lebens erledigen. Das heißt wenn ich schwierige Entscheidungen treffe, überlege ich sie mir gut, entscheide dann und stehe auch dazu.

Ein Teil für meine Entscheidung, den Kontakt zu Dir abgebrochen zu haben ist, daß Du jedesmal wenn Du mich verletzt hast, und Dir keine Ausreden mehr einfallen, warum Du Dich nicht zu entschuldigen brauchst, mir erzählst, daß Du auch eine beschissene Kindheit hattest.  Ich bin keine Therapie für Dein verkorkstes Leben. Ich bin ein Mensch mit Gefühlen und möchte als solcher behandelt und respektiert werden.

Beispiele dafür gibt es genügend.

Wenn ich sage, es ist schlimm seine Mutter zu verlieren sagst Du, es ist schlimm seine Kinder zu verlieren und irgendwann muß die Vergangenheit doch ruhen. Sie ist noch nie in Bewegung gewesen!

Ich war damals nicht alt genug um meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen und später war es ja Vergangenheit. Es ist nicht so schlimm, seine Mutter zu verlieren, wenn man danach geregeltes Besuchsrecht hat und eine Situation, auf die man sich einstellen kann. Es ist aber unausdrücklich grausam seine Mutter weiß Gott wie oft (ca. 8 Mal?) zu verlieren. Weißt Du was dann in einem stirbt?

In mir die Hoffnung! Naja ich hab’s überlebt und wir hatten wieder Kontakt. Aber der Abend vor meiner Hochzeit. Wir haben uns über eine Stunde klar und deutlich ausgesprochen. Du wolltest nicht, daß ich zu Papa’s Freundin „Mutti“ sage. – Was Ihr nicht so alles von mir wollt – Diese Frau war aber für mich da, als ich sie brauchte.

Sie hatte ein Recht darauf! (Hat Sie allerdings mittlerweile verwirkt!) Und trotz dieses Gesprächs, daß desweiteren beinhaltete, daß Du mir versprichst Dich zusammenzureißen, nicht zu viel zu trinken und friedlich sein willst, betrinkst Du Dich, streitest Dich mit meinen Gästen und ich sitze heulend in meiner Hochzeitsnacht im Bett! Danke!

Soll ich so etwas einfach vergessen? Versuchst Du mir unbewußt mein Leben zu versauen, so wie Deine Eltern Dir? Ich hatte nicht vor nochmal zu heiraten, (auch wenn ich da anscheinend aus der Art schlage, aber wie schon erwähnt überlege ich mir meine Entscheidungen gründlich) und daher hast Du mir mit Bravur einen einmaligen Tag meines Lebens gestohlen. Den kann ich nicht nachholen. Genauso wenig wie meine Kommunion. Ich brauche das jetzt nicht zu erläutern, oder?

Zu guter Letzt noch mein Geburtstag, der in einer, aus der Flasche trinkenden, Mutter, die 30 Minuten später mit Ihren aggressiven Anrufen meine Frau zum heulen bringt, weil der Ihr Bewußtseinblockierende maximale Genuß von Sekt, (den Du sowieso nicht verträgst), Ihrem Unterbewußtsein die Kraft gibt alle Frustationen herauszulassen, gipfelte.

Wie schon erwähnte: „Ich bin nicht Deine Therapie“.

Ich bin ein Mensch.

Soweit die verharmlost dargestellten Highlights eines jungen Lebens.

Wie würdest Du Dich entscheiden?

Nach diesen Zeilen, (ich könnte Bücher füllen!), glaubst Du mir bestimmt nicht einmal, daß mir diese Entscheidung einer der schwersten meines Lebens war.

Für gewöhnlich hätte ich noch weiter überlegt aber dieser massive Ansturm aus halb Deutschland zwingt mich zu einer schnellen und endgültigen Entscheidung.

Ich möchte keinen Kontakt mehr!

Bitte bremse Deine hilfsbereite Familie.

Warum hast Du Dich eigentlich nie an Alexander gewandt? Warum machst Du diese Unterschiede? Treue, Loyalität und Charakter sind die positiven Eigenschaften dieser Welt! Nicht Schönheit, Reichtum oder Lässigkeit! Irgendetwas hast Du da bestimmt verwechselt.

Zum Abschluß noch etwas positives. Ich werde Dir nichts von alledem mehr nachtragen und ich werde auch versuchen, Dir zu vergeben, wenn ich irgendwann dazu bereit bin.

Und jetzt reiß Dich endlich zusammen und mach was aus Deinem Leben.

Du bist noch jung.

Statt jeden Tag in der Couch zu hängen und mit Deinen hypochondrischen Krankheiten Deinen Tod herbeizusehnen solltest Du Dir Fachmännische Hilfe holen und endlich neu anfangen.

Ich bin sicher, daß Du das schaffst.

Meinen Segen hast Du.

Tschüß

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