Modestadt-Doppel: JOSEPH BOYS vs. 100 BLUMEN 

Was ist Düsseldorf doch momentan gesegnet mit geilen Bands? Irgendwas muss dran sein. Ich könnte als neiderfüllter Duisburger kotzen, wenn ich nicht so wahnsinnig wohlmeinend auf die Nachbarstadt blicken würde. Immerhin kann ich jetzt im Ausland sagen, wenn ich erklären muss, wo Duisburg liegt, dass das dort ist, wo 100 BLUMEN und die JOSEPH BOYS herkommen. Letztere gewinnen natürlich schon allein durch den Namen. Verbinde ich doch mit dem namensgebenden, querdenkenden Künstler zwei sympathische Kunstlehrer seiner Schule, die sich herrlich abhoben vom miefigen Lehrpersonal. „Reflektor“ ist ein fein durchdachter Wurf der Aufzählungspunks geworden. Da ist viel Wohlwollen der eigenen Blase gegenüber zu hören. Und ja, Selbstvergewisserung tut gut in diesen Tagen. Wir sind’s: die Guten! Die da draußen haben es nicht kapiert: bauen Mauern, hören Helene Fischer, sind Opfer der sozialen Medien und konsumieren verantwortungslos. Ups, da schluckt man manche kleine Kröte doch unerwartet mit. Aber sie machen es nicht so sehr mit moralischen und pädagogischen Finger, sondern sie beobachten und beschreiben eher. Musikalisch überraschen sie nicht sonderlich. Kann man jetzt gut oder schlecht finden. Aber ihr rhythmischer Postpunk ist einfach ein gutes Transportmittel für die Texte, die mehr zum Aufbruch und zu einem „Arsch hoch! Jetzt erst recht!“ animieren. Ziemlich positiv für eine Punkband, wie ich finde .
100 Blumen sind da eher für das halbleere Glas zuständig. „Hoffnung, halt’s Maul!“ ist folgerichtig programmatischer Titel des neuen Albums. Dass die angewandte Misanthropie durchaus tanzbar und einem gewissen Harmoniebedürfnis  zuträglich sein kann, ist die andere Wahrheit. Also wenn schon aufgeben, dann wenigstens mit Stil. Die Prise Oiro durch den neuen Bassisten Akki tut den 100 BLUMEN auch gut, denn damit entfernen sie sich vom Düsterpunk àla Fliehende Stürme, an die sie mich in kurzen Momenten erinnern, wenn der Gesang nicht so aggressiv ist. Dynamik gewinnen sie aus dem Wechselspiel zwischen Resignation und Kampf. Das ist ein echter Fortschritt zu den Vorgängeralben, die immer eher so vor sich hinplätscherten. ‚World of grief‘ und ‚Schlachthaus’ sind für mich da so Paradebeispiele für die gewonnene Variabilität und Musikalität. Da spielen Druck, Dynamik und Spannung in Perfektion zusammen. So steuert die Platte zum Ende hin zum (traurigen) Höhepunkt hin. Das ist extrem gut.
Beide Bands zählen momentan zu den besten ihrer Fächer und kriegen zwei Platten hin, die man noch lange hören wird.

 

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