DR. DREXLER project vs. ELBTALHERZEN

DR. DREXLER – Neoliberale Kackscheiße LP

Die Platten passen für ein Besprechungsdoppel ganz hervorragend, weil sich an ihnen so herrlich der Weg der GOLDENEN ZITRONEN nachvollziehen lässt. Auf der einen Seite sind da DR. DREXLER project, die wohl eindeutig die Söhne der seit beinahe 30 Jahren auf links gedrehten Zitronen sind. Hier ist die Musik Experiment, offen für Entwicklung, gerne auch super anstrengend. Und ich gebe es zu, ich muss mental echt gut drauf sein, um die Schönheit der Songs zu erkennen. An einem schlechten Tag ist es viel zu anstrengend, vor allem dem oft plärrenden Gesang zu folgen. Da ist mir die permanente Anklage zu viel, da schmerzt es zuzuhören. Man weiß das ja alles, die Wut in der Musik erzeugt so viel inneren Druck. Es läuft ja alles verkehrt und wir verdrängen es allzu gern und erfolgreich. DR. DREXLER project verschanzen sich nicht hinter Worthülsen, die beliebig interpretierbar sind. Oft ist es dystopisch-realistisches Tourette-Theater. Musikalisch manchmal bei S.Y.P.P.H. oder eben den Zitronen. Auch GEWALT taugt an einigen Stellen als Reminiszenz, gerade beim Titeltrack fühle ich mich des Öfteren an die Berliner erinnert. „Neoliberale Kackscheiße“ sagt eigentlich alles, richtet sich gegen alles, was es braucht, um sich zufrieden einzurichten: Patriotismus, Kapitalismus, Eskapismus und Konsumismus.

Von Mal zu Mal bin ich mehr hingerissen, wie dieser 80er-Post-Punk-Vibe mit Sax rübergerettet in die heutige Zeit passt.

ELBTALHERZEN s/t LP

Und da sind wir beim absoluten Gegenentwurf. Genau da, wo die Goldenen Zitronen vermutlich das Ende ihrer Musik sahen, als sie sich von ‚Für immer Punk‘ verabschiedet hatten, musizieren die Dresdener Elbtalherzen aus Dresden heute. Ähnlich wie beim Wahren Heino funktioniert das Covern von Punkklassikern ganz großartig. Mitgröhlkompatibel waren Songs wie Mallorca (Canalterror), Spione im Cafe (Schleim-Keim) oder Karlsquell (Slime) – um nur ein paar zu wählen – schon immer. Dass jetzt da so glitschiger Schlagerteppich ala Flippers und Konsorten runtergelegt wird, passt so entlarvend gut, dass es mir riesigen Spaß bereitet. Ich kann mir zum Leidwesen von Mari nicht verkneifen, dass immer mehr zu feiern. Der doppelte Boden, den ich hier zu entdecken mag, ist vielleicht fabuliert, aber ich nehme Matthias Herz und Ronny Rakete unbedingt ab, dies genau einkalkuliert zu haben. All der piefige Muff, der im Deutschpunk steckt, wird charmant an die Ufer gespült und erinnert jetzt an den bunten Plastikmüll, den die Meere an die Küsten tragen. Einfach großartig: Da mag sogar ich gerne mit grölen. Schlimm genug, dass ich beinahe alle Songs noch textsicher abgespeichert habe. Ich lege mich mal fest: Das ist die einzige Art und Weise, wie ich alte Punkmusik noch hören mag. Und in meinem Altenheim werde ich mich immer freuen, meine Jugend so aufzuwärmen. Rundling wird diese Scheibe wie geschnitten Brot verkaufen. Und zwar zu recht. Und das Schöne ist, das können die Elbtalherzen noch ein paar Jahre weitertreiben, ohne jemals langweilig zu werden. Jeder bekommt die Coverversionen, die er verdient hat!

 

 

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