Warum sind gerade Songs gegen Nazis so schlimm?
Manchmal stellen sich mir Fragen, die man sich nicht traut, offen zu stellen. Sie wissen schon, die berühmte Schere im Kopf. Aber wo kommen wir hin, wenn wir nicht einmal Fragen dürfen? Sind wir dann schon in der Meinungsdiktatur gefangen?
Also ich verneine einmal vehement. Muss aber feststellen, dass Punkmusik im Allgemeinen heutzutage ja schon schlimm ist. Denken Sie bloß mal an solche Klopper wie ‚Tanzende Punks‘. Sie werden mir zustimmen, dass Ihre Freunde, insofern Sie welche hatten, etwas komisch aus der Wäsche geguckt hätten, wenn das in den 80ern auf dem Mixtape zwischen Dead Kennedys, Slime und den Dicks aufgtaucht wäre. Da kann man also, da stimmen Sie mir sicherlich zu, gerade als alter Mann schonmal verbittern. Ist ja auch gar nicht böse gemeint, aber dieses stampfende Offbeat-Rumgetrampel darf ich sicher ins Höllenfeuerlicht der Jahresendzeit schicken. Da gehört es hin, und für die Duttträger*innen mit ohrengeschützten Kindern auf den Schultern, gibt es den Vorhof zur Hölle, áka das Donots-ZSK spielen Detlev Jöcker Kinderspezial.
Ja, dass ist zweifelsohne schlimm. Wenn Sie das sehen und hören, erfüllt Sie sicher auch tiefe Trauer angesichts der überbordenden Hoffnungslosigkeit. Hat es die Welt nicht schon schlimm genug? Sie sagen zu Recht, wir hatten im Angesicht der nuklearen Auslöschung wenigstens noch Toxoplasma und Chaos Z.
Aber wenn ich es mir so recht überlege, und das frage ich Sie in allem gebotenen Ernst: Warum sind Songs, die sich gegen Nazis richten, so furchtbar schlimm zu ertragen. Das war mal anders, noch in den 90ern gab es den Nazis Raus-Sampler vom Linkspartei-Schattenchef Dr. Michael Arndt. Den kann man wirklich teilweise hören. Und Sie werden sagen, dass der zumindest nicht peinlich war.
Irgendwie hat das natürlich auch nicht so richtig geholfen, also geholfen, die Nazis so nachhaltig zu beeindrucken, dass Sie sich für immer ans Ende der Geschichte verpissten. Sie haben sicher auch irgendwann gedacht, dass das mit gegen Nazis sein, ja irgendwie selbstverständlich ist. So war es, das kann ich Ihnen vergewissern, bei mir auch. Irgendwann in der Zeit als Punk sich zwischen verschiedenen Directionshaarfarben und Plastik-Modeschmuck sowie albernen Beinkleidern verabschiedete, fanden Sie es sicher auch spannender, den Weg aller einigermaßen okayen Menschen zu gehen und sich für eher künstlerischen Output, oder was Sie dafür hielten, zu interessieren. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass Sie irgendwann auch mal Songs hörten, die sich mit Nazis oder mit dem Widerstand gegen solche beschäftigten und… und, sagen wir es so, Sie merken, ich ringe mit meinen Worten, es fällt mir schwer, aber Sie waren schwer zu ertragen. Im harmlosen Fall, so dachten Sie, ist es einfach Kirmes (‚Antifa Hoologans‘- Los Fastidios) oder Kindergarten (‚Antifa‘ – Wizo). Man musste es ja nicht gut finden, aber auch Sie dachten, gut dass jemand die Drecksarbeit macht. Okay, bei Swiss & den Anderen viel es Ihnen schwerer, aber man kann die Kinder ja nicht für die richtige Haltung verurteilen. Da geht nicht! Das macht man nicht!
Halt, werfen Sie ein, das sind keine Kinder mehr. Die sind genauso erwachsen wie wir beide!
Ja, da muss ich Ihnen recht geben. Aber jetzt wird es kompliziert in einer bipolaren Welt: Wenn man die Songs scheiße findet, ist man dann nicht quasi auf der anderen Seite?
Autsch, und da gebe ich Ihnen recht, also nicht so richtig, aber Ihr Punkt ist es: wenn ich mir jetzt vorstellte, ich wäre nochmal der wütende junge Mensch, der ich Mitte der 1980er Jahre war, ich weiß nicht, wie abschreckend dieses antifaschistische Musikgut auf mich gewirkt hätte? Wäre ich dann doch lieber in das Dorf von Juli Zeh gezogen, wo die Leute alle so nett sind? Ich weiß es nicht, ich habe Ihnen ja eingangs schon gesagt, manche Fragen möchte man lieber gar nicht stellen.
Aber keine Angst, so alleine und traurig, möchte ich Sie nicht zurücklassen. Man kann es einfach kurz machen, wie Petra Bucholz (Scheiß AfD). Da ist so wenig Text, dafür keine falsch klingende Zeile. Oder wenn schon mit Text, wie der Herr Bela B mit Bonaparte zusammen. Da sehen Sie, dass das keine Demütigung sein muss, wenn man musikalisch Haltung zeigt. So entlasse ich Sie mit einem kleinen Funken Hoffnung in das Jahr 2026. Halten Sie den Rücken gerade!

Mir zum Jahresabschluss noch „Tanzende Punks“ zur Kenntnis zu bringen, hätte echt nicht sein müssen. 2025 war so ein gutes Jahr – und ganz zum Schluss dann sowas.