Scherbenwarnung: SAFI vs. EA80

SAFI – Groteske

Die Welt ist alles, was der Fall ist. Und genau darum geht es fern aller Sprachlogik auf diesem Album. Das Album Groteske verhandelt die Krisen der Welt, die auch immer die des Einzelnen sind.

Man muss es ja sagen, dass es manchmal schwer ist, sich der Worte der Begeisterung aus dem Info von Rookie Records nicht zu bedienen. Aber der Stolz des kleinen Schreiberlings lässt sowas ja nur ungern zu, und mit Verachtung blickt er auf die Anderen herunter, die offenbar der Versuchung nicht widerstehen können.

Nun, da ich im angesichts dieses Werks sowieso schrumpfe, kann ich auch gleich, die zentralen Begriffe Ambilvalenz und Zerrissenheit übernehmen. SAFI als Individuum steht gleichermaßen dieser Welt gegenüber, findet sich außerhalb, als Teil und Ganzes – ich bin ewig diese Welt – wieder. Klingt anstrengend? Ist es!

Jetzt könnte man das total krachig inszenieren, aber das musikalische Gewand ist ein zwar gelegentlich vertracktes aber immer wunderschönes. Das ist eine wuchtige Wand, riesengroß und allgegenwärtig. Manchmal erinnern mich die Songs etwas an die Neubauten zur 5-auf-der-nach-oben-Zeit. Gerade die Dynamik der Songs mit der jederzeit möglichen Explosion hat es mir angetan.

Es finden sich zeitlose Kommentare zum Zeitgeist wie in Gloria oder im Golem. Der Verzicht auf allzu Konkretes entlarvt die Krisen der Zeit als Wiederholung des Immergleichen. Alles wird personifiziert und sodann entlarvt – Oh Gloria, du Heuchlerin, machst alles aus Beifall.

Wenn SAFI dann aus sich selbst heraus spricht, dann ist die permanente Spannung und Verzweiflung in Songs wie Glück und Ich will ein Leben zu hören, alles zu tun, aber nie etwas zu bekommen: nicht einmal einen einfachen Zugang zur Welt und den Anderen, die man immer verpasst.  Klingt schwierig? Ist es!

Dabei kann man sich so einfach entscheiden, wie der auf einer goldenen Moral reitende silberne Mensch. Dann wäre alles gar nicht so schlimm. Dummerweise hat der einen Januskopf. Also wegschauen, weil es nicht zu ertragen ist. Mit Adrenalin aber kann man die Angst überwinden. Das scheint auch die SAFI-Methode zu sein, nicht wirklich in Verzweiflung zu versinken, sondern alles mitzunehmen und mitzuerleben. Die Welt ist schließlich eine, wie der Titel sagt, Groteske.

Ob das am Ende dann für‘n Arsch war, entscheidet sich in der letzten Sekunde, in der alles noch möglich ist. Selbst einen Anfang zu setzen, ist der hoffnungsfrohe Ausblick, den SAFI setzt.

EA80 – ● ●

Nachdem der erste Versuch, diese neue Scheibe bei den Konzerten in Lübeck zu verkaufen, ja mit einem Rückruf endete, da auf der A-Seite Troops of the sun drauf war, nun der zweite beim Konzert in Leverkusen. Wie jeder zweite Konzertbesucher eilte auch ich sofort zum Verkaufsstand, wo ich bei Martin himself gleich versuchte, das Bundle mit T-Shirt und Wohnzimmerkonzert zu erwerben. Ob das gelang, wird wohl ein Rätzel bleiben. Der Plan, mit einer weiteren Fehlpressung ein schickes Loft in Ehrenfeld zu finanzieren, ging dann aber nicht auf. Zur Strafe rissen dem Jungen auf der Bühne gleich zu Beginn zwei Seiten hintereinander, was den anderen Bandbuddys gleich mal Gelegenheit gab, ihre EA80-typischen Bespaßungssqualitäten zum Besten zu geben.

Ungewollt bekamen die zentralen Themen des Albums ‚Strom fließt‘/‚Stecker ziehen‘ hier eine Performance.

Dass Tod und Vergänglichkeit klassische EA80-Themen sind, wird wenig überraschen, nur schimmern sie hier gleich zweimal golden. Wir können uns schließlich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen, wenn das alles golden ist, was sich im ewigen Kreis abspielt. Wobei es bei EA80 natürlich so ist, dass sich diese Ewigkeit in sehr begrenztem Rahmen verhält. Unerbittlichkeit der Zeit, voranschreiten, hinter sich und zurücklassen.

Das Universum von EA80 wird durch den virtuellen, digitalen Raum ergänzt und die Frage, was denn da los ist, wenn der Strom ausfällt?  

EA80 machen das schon so unendlich lange, sind stete Begleiter und geben unseren Ängsten und Empfindungen Ausdruck. Dabei wohnt diesem Album eine gewisse Milde inne, die ansteckend ist. Scherben lässt man hinter sich und aus Scherben besteht man. Also gar nicht so schlimm, dass alles zerbricht.

 

 

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