Kölns lange Museumsnächte

Ich bin noch immer in der Phase, in der mich die Aussicht auf wohlige Momente der Nostalgie zu Unternehmungen verleitet, von denen der kühle Verstand abrät. Die Ankündigung eines alten Freundes, das Toxoplasma-Konzert in Köln zu besuchen, versprach einen solchen Moment. Mit ihm hatte ich in frühester Jugend Punk entdeckt und sepiafarbene Bilder der Erinnerung huschten durch mein Hirn. So freute ich mich wirklich auf das Mitschmettern alter Schlager Marke “S.O.S”, zudem hatte ich die Band lange nicht mehr gesehen und Bedenken ob der musikalischen Qualität gar nicht zugelassen. 

Leider kam es anders: der Freund sagte kurzfristig ab, da er den Antritt seiner eigenen Urlaubsreise vergessen hatte. Meine Motivation zum Konzertbesuch sank gen Null. Nun wollte ich wenigstens das Geld nicht verschwendet wissen und die Tickets verscherbeln. Dabei stellte sich heraus, dass das Interesse an einem Konzert von Toxoplasma in meiner persönlichen Bubble extrem gering bis nicht vorhanden ist. Das hätte mir zu denken geben sollen. Wie ein anderer Freund später kommentierte:”Wir kennen eigentlich keine Leute mehr, die sowas interessiert.”

Unerwartet und spontan bekundete mein Kumpel Rüdi – ehemals Pogoradio-Moderator – Lust, sich das Konzert anzusehen. Sachkundige Begleitung war somit gegeben. So fanden wir uns im Sonic Ballroom ein. Leider stellte ich nach kurzer Zeit fest, dass ich wirklich nur noch schwer mit klassischem Deutschpunk-Publikum zurecht komme. Die Realität löst dann doch jegliche Nostalgie auf. Schlappiro-Punker oder überhaupt Personen, die ihren subkulturell geprägten Habitus seit Jahrzehnten nicht verändert haben, finde ich ganz schlimm. Aber kommen wir zu den musikalischen Darbietungen: BAZOOKA ZIRKUS spielten schnellen Hardcore-Punk und ein größerer Teil des Publikums war anscheinend auch wegen denen da, was die Resonanz vermuten ließ. Pünktlich um 22 Uhr bestiegen Toxoplasma aus Neuwied die Bühne und begannen wie seit Jahrzehnten mit “S.O.S”. Leider wies die Performance ein starkes Gefälle auf: bei manchen Songs wirkten sie wie eine schlechte Coverband ihrerselbst, andere Nummern saßen wie eine 1. Mein Kumpel trat nach 20 Minuten gelangweilt den Rückzug an. Ich sah mir die durchwachsene Show bis zum Ende an und wünschte mir, dass ich auch so niedrige Ansprüche hätte wie 98% des Publikums. Die Stimmung war nämlich bestens.

Ich gönne der Band an dieser Stelle ausdrücklich, dass sie die Musik noch lange weiter machen und diesem Arm der Szene soviel Geld aus den Rippen leihern können wie möglich. Sie haben es nicht anders verdient. Ich bin aber raus. 

Nächster Tag, gleiche Stadt, anderer Ort. Konzert: HAMMERHEAD. Das Setting war von vornherein gänzlich anders. Das Gebäude 9 war rasch ausverkauft und der Status des Konzertes glich in der Stadt eher einer Gala-Veranstaltung als einem Hardcore-Konzert. Ein roter Teppich wäre nicht unangebracht gewesen, Menschen, die seit Jahren keine (Punk-/HC-) Konzerte mehr besuchen, erhoben sich zu diesem Anlass von ihren Sofas. Auch hier trafen hunderte Jahre Subkultur zusammen, aber von der gut gereiften und abgeklärten Sorte. Szenetypische Dresscodes wurden weitesgehend vermieden. Mit KONTROLLE und der lokalen Kapelle GEBRETTER wurde ein beachtliches Vorprogramm geboten. 

HAMMERHEAD legten dann mit Wucht los und hielten den Druck durch das ganze Set aufrecht. Sänger Tobias Scheisse hatte sich für diesen Abend kryptische Ansagen auf Englisch ausgedacht. Ich beneide echt niemanden um den Posten, zwischen Songs ständig etwas sagen zu müssen. Man sah einigen Bandmitgliedern an, dass das Arbeit war. Leicht von der Hand ging das sicher nicht mehr. Vor der Bühne gab es überraschend agile Action, angesichts des auch hier höheren Durchschnittalters hätte ich damit nicht zwangsläufig gerechnet. 

Bei HAMMERHEAD ist das Glas jedenfalls noch halb voll. 

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*