Triggerwarnung: OX #163, Mind the Gap #24, ZAP #161

Drei Fanzines, die unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen und jeweils habe ich die Ehre, etwas dazu beigetragen zu haben. Also so schlecht können sie nicht sein.

Das MIND THE GAP ist vermutlich das Fanzine, das die Punkfahne am höchsten hält. Die Welt wird komplett mit einer solchen Brille betrachtet. Und mit dieser rosa Brille ist erstmal alles gut, was punk ist. Die Überwindung der konzertfreien Zeit während Corona-2021 und anfang diesen Jahres wird ausgiebig gefeiert und dem Konzertbesuch  wird ordentlich Platz eingeräumt. Selbstverständlich ist nahezu alles gut, geil oder unglaublich. Wie Ertrinkende nach jedem Trümmerteil greifen, wird jedes bestuhlte Konzert besucht und der Einsatz honoriert. Im Fokus des Interesses stehen alte Leute, wie die Leser dieses Artikels. Die Welt liegt komplett in der geriatrischen Zone zwischen RAZORS und HANSAPLAST. Fratz von HULK bekommt ein langes Feature, was er wirklich lange verdient hat. Charly Hübner wird zu Motörhead und Punk interviewt, ein ehemaliger Schuldirektor wird gefragt, wie er als Punk Grundschulen leitete und ein Koch, der wohl prominent ist, wird zum Leben als kochender Punk befragt, der aussieht wie der Bruder von Axel Rose. Das liest sich streckenweise schon mit einem Schmunzeln, denn so rührig, wie die heile Welt des Punks hier zelebriert wird, lese ich das sonst nur während der Blackpool- und Ruhrpottrodeo-Tage auf Facebook.

Das Ox hat mit LOVE A eine Band auf dem Cover, die sicher ohne den mächtigen Support des Solinger Heftes niemals so populär geworden wären. Jörkk gehört ja sicher auch zum erweiterten Ox-Umfeld. So ist das Interview mit ihm auch sehr persönlich und ehrlich. Ja, ja, die Künstlerseele ist schon stets in Gefahr den Versuchungen zu erliegen. Das Album habe ich an anderer Stelle ja schon gefeiert. Dass die LINDA LINDAS noch so jung sind, hatte ich nicht erwartet. COR-Interviews lese ich auch immer wieder gerne, habe aber noch nie eine Platte gekauft. Die VIAGRA BOYS liefern im Interview die notwendigen Hintergrund-Informationen zum erneut großartigen Album. Selbiges gilt für die JOSEPH BOYS. Ich mag sie sehr. Das Gegenteil gilt für FLOGGING MOLLY, die, wären sie nicht eh unerträglich, spätestens mit ihrer lauwarmen Rechtfertigung ihrer Kreuzfahrtauftritte für mich gestorben wären. Ist vielleicht so ein wenig der Lanz-Trick, sich an die Leute ranwanzen, um dann die entscheidenden Infos zu bekommen. Daniel Schubert hat in seiner Schwurbler und Punk, äh Punk und Religion -Reihe mit 1876 den indigenen US Amerikaner  Gabe interviewt. Aufatmen für alle Iro-Träger unter euch: Seinen Segen habt ihr. In der Hölle dagegen schmoren Kinder, die Karneval Indianerkostüme tragen. Die Abteilung „Sehnsucht nach Früher“ ist natürlich auch wieder stark vertreten. Zum Beispiel mit „Wie der Punk nach Zürich kam“ oder BLUTVERLUST. Ich persönlich kann damit nur was anfangen, wenn ich selbst einen Bezug dazu hatte. Darum ist es halt das LOST LYRICS-Interview, denn was HOLGER SCHACHT so erzählt, ist direkt anschlussfähig an mein persönliches Leben. Für meine eigenen Nerdwerte sind musikalische Neuentdeckungen natürlich wichtiger als die ollen Kamellen. BLACKBERRIES sind so eine Kapelle, die ich so mitnehme, oder von der CD-Beilage THE DOCTORS, die ich so richtig geil finde. Von SLIME ist auch der beste neue Song drauf, den ich bisher gehört habe. Apropos CD-Beilage: Die liegt nur noch den Abo-Heften bei oder werden auf Verlangen kostenlos verschickt, wenn man sein Heft am Bahnhofskiosk verkauft. Wie ich finde, ein vernünftiger Schritt, denn von dem Bahnhofskioskgeschäft wird ja nur ein Bruchteil verkauft und der Rest landet im Müll. Mit seinen 4000 Abos kann und muss sich das Ox  schrittweise aus diesem Geschäft verabschieden. Und mit jedem Abo wird das leichter!

Abos möchte auch das ZAP haben, und ich möchte euch auffordern, unbedingt auch hier ein Abo zu schalten. Mit Verspätung kam die Zeitschrift für die Sugardaddys unter uns auf den Markt. Mit Markus Beck als Posterboy wird eine Groomingattacke auf junge Flinta* gefahren und in Dr. Frederik Berndts, der Arzt, dem die Asis vertrauen, avanciert Klaudia Fingelripp zur Proktoganistin der Herzen. Mancher mag das abgeschmackt finden, mich amüsieren Moses‘ Trashfantasien aber ordentlich. Gemeinsam wird im Interview mit Björn Fischer über das Plastic Bomb abgeledert, aber auf der Seite davor der verdiente Verriss des Rock-O-Rama-Buches geliefert. Boris Graue und Rainer Raffel liefern die Krankengeschichten zur Zapothekenschau. Wann das MRT endlich zum gleichberechtigten Instrument neben Schlagzeug, Gitarre und Bass aufsteigt, ist meines Erachtens nur noch eine Frage der Zeit. Die Interviews mit den ADOLESCENTS und PUSSY RIOT (auf dem Cover) sind dünn. Über solche Schwächen konnte früher das bärenstarke und pointierte Layout von Rüdi hinwegglänzen. Der ist aber leider nicht mehr dabei und das neue Layout ist noch in der Findungsphase. Lesenswerte Interviews gibt es mit ALEXANDER HEIR (Zeichner) und EL VEZ (lustig verkleideter Musiker). Und viel Freude bereitet die Kolumne FRAG DEN FRANK, der hier als katholischer Militärseelsorger in Fragen der Ethik mit Rat und (ohne) Tat Orientierung bietet.

Ich kann mir schwer vorstellen, dass wirklich alle drei Hefte gleichzeitig in den Haushalten liegen. Das ZAP ist ja sowieso das Heft beyond lifestile, das Ox für die nerdigen Szenehasen und das Mind the Gap eigentlich Pflicht für alle, die sich nach den guten alten Plastic Bomb Wohlfühltagen sehnen. Aber die Schnittmengen sind in meiner Blase durchaus vorhanden.

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