Zebracore – Hannes Siaminos im Interview

Mitte der 90er Jahre gründete sich in Duisburg eine Punk Konzertgruppe mit dem Namen ZEBRACORE, wo vorrangig Bands aus der DIY-HC / Crust Punk Szene spielten und man sich den linken Idealen zugehörig fühlte. Kernpunkt der Veranstaltungen war die Duisburger FARBIK (RIP 2003) in Neudorf, wo bis Anfang der 00er Jahre eine Vielzahl an großartigen Bands spielten. ZEBRACORE ist auch gleichbedeutend mit Hannes Siamonis, welcher damals die treibende Kraft hinter ZEBRACORE war. Es entwickelte sich damals ein gutes DIY-Punk Netzwerk zusammen mit Konzertgruppen aus anderen NRW-Städten. Seit ein paar Monaten habe ich wieder Kontakt mit Hannes und es war mir ein Bedürfnis mit ihm über sich selbst als auch über die damalige Zeit der FARBIK und ZEBRACORE zu sprechen.

Wann ist eigentlich der Punk Rock in dein Leben eingezogen? Wie hat sich das auf dich ausgewirkt, bis du angefangen hast, Konzerte zu veranstalten?Also ganz ursprünglich war ich mal so ein Metalhead. So richtig klassisch sozialisiert durch BRAVO geriet ich mit Musik in Kontakt durch Mel Sandocks Hitparade Mittwochs im WDR Radio. Durch die BRAVO bin ich auf KISS gestoßen. Die machten coole Mucke und hatten noch ein viel cooleres Outfit. Das muss ´78 gewesen sein. Dann entdeckte ich AC/DC für mich und KISS konnten direkt wieder kacken gehen. Bei den Aussies bin ich dann erstmal hängen geblieben. Die haben für die damalige Zeit echt ein Brett gefahren, wenn du dir heute „Kicked in the teeth“ von Powerage mit adäquater Lautstärke anhörst.

Dann kam in der Schule ein Kumpel mit „No Sleep ´til Hammersmith“ um die Ecke und von da an wollte ich nur noch schnelle und „In ya face“-Mucke haben. AC/DC schmierten mit dem neuen Sänger auch langsam ab und so war der Weg vorgezeichnet. Etwa zur selben Zeit kam ein Typ aus dem Nachbarhaus auf mich zu und hat mich auf EXPLOITED aufmerksam gemacht. Der Typ war ein paar Jahre älter als ich und eher punkig / wavig unterwegs. Aber das war tatsächlich mein erster Kontakt mit Punk überhaupt. Das war so ca. 82/83, als grade EXPLOITED-Live draußen war.

Zeitgleich kamen aber auch die ganzen Ami Metalbands über den Teich, so METALLICA, SLAYER, ANTHRAX usw., erst mit Tonträgern und später Live. Die haben echt Härte und Speed in die Metalszene gebracht. Die „Haunting the chapel“-12“ mit CHEMICAL WARFARE drauf hat damals eingeschlagen wie eine Bombe. Zur selben Zeit habe ich noch die „Troops of tomorrow“ gehört, die auch gut war, aber längst nicht so heftig wie SLAYER. Naja, das war´s dann erstmal mit Punk. Hat mich dann nicht mehr so interessiert. Bis dann Mitte der 80er plötzlich wegen diesem Crossover-Ding von DRI viele von meinen Kumpels mit HC-Scheiben ankamen. Ehemalige Kuttenträger rannten plötzlich mit NEGAZIONE Shirt und Bandanas rum, ich hab das damals nicht verstanden, weil nicht gekannt. Ein Kollege hat mir dann die HERESY / CONCRETE SOX LP geliehen. HERESY fand ich auch geil wegen dem Speed, das war schon imposant. Aber ich war noch zu Metal verseucht und noch nicht bereit für die Veränderung. Dann war ich zum ersten Mal im Duisburger ESCHHAUS bei NEGAZIONE / WINTERSWIJK CHAOS FRONT und habe viele Bekannte aus der Metalszene wiedergetroffen, und das war dann schon prägender. Allerdings war ich nur insgesamt 3 x im ESCHHAUS, einmal davon war die 1. Duisburger Hardrock Nacht, also auch kein Punk. Aber insgesamt war ich schon interessierter.

Was mich damals schon sehr abgeturnt hat, war die Kommerzialisierung und vor allem Zersplitterung der Metal Szene. MÖTLEY CREW auf der ersten Tour als Vorband von MAIDEN haben mal eben 65,- DM für ein T-Shirt aufgerufen, also 15,- mehr als der Headliner. Und die Leute haben gekauft wie blöde. Das war 85. Und ähnlich ging es mit Konzertpreisen. Das ich 1984 in Belgien für ein Open Air Konzert mit MOTÖRHEAD, TWISTED SISTER, METALLICA erstmals in Europa, WARLOCK, MERCYFUL FATE und noch 3 weiteren Bands grade mal 40 Mark hinlegen musste, kann sich heute keiner mehr vorstellen. Ein, zwei Jahre später war es damit vorbei.

Das eigentlich vorentscheidende Ereignis war dann meine Entscheidung, in der FABRIK aktiv zu werden. Ich wohnte damals 2 Minuten Fußweg vom Laden entfernt. Als 14-jähriger war ich mal da drin, kam aber nur bis in den Vorraum, wo mich ein paar Leute freundlich aber bestimmt abwimmelten. Das war also ´82. Ich fand das doof und ich hatte den Laden schon fast vergessen. Aber so ab ´86 gab es in Duisburg und Umgebung nix mehr, wo man als Metal hingehen konnte. Also bin ich Back to the Roots. Warum in die Ferne schweifen …? Ich kannte mittlerweile ein paar Leute, die sich da rumtrieben, von der Schule. Die haben mich dann eingeladen. Ich muss dabei sagen, dass die FABRIK damals mit Punk nix am Hut hatte. Dafür gab es ja zu dem Zeitpunkt noch das ESCHHAUS. Ich habe mich also in der Fabrik eingebracht, Thekendienste geschoben, was damals auch immer frei saufen hieß, mich immer mehr von diesem Metalding entfernt. Ich hörte zwar noch die Mucke, auch in Ermangelung anderer Infos. Aber ich habe z. B. nicht mehr eingesehen, diese Horrorpreise für Konzerte dieser vollgekoksten Rockstars zu bezahlen oder diese Horrorpreise für CDs. Die waren damals noch recht neu und zum Teil Importware, unerschwinglich. Naja, kein Bock mehr drauf und von da an auf der Suche nach was Neuem.

Und dann kam ´89/´90, die Entscheidung. Die FABRIK war eigentlich ein alter Kommunistenladen, schwer links, Ostermarsch- und Uniumfeld, angehende Lehrer, arbeitsfaule Studenten, etc. Also eigentlich erst mal sympathisch. Aber es stand ein Generationenwechsel an. Die FABRIK wurde 1978 von angehenden Lehrern aus dem DKP Umfeld als e. V. gegründet. Die hatten auch schon Generationenwechsel durchgemacht, aber jetzt gab es keinen Nachwuchs mehr. Also zogen sich immer mehr von den Alten zurück und überließen uns jüngeren das Feld. Das war so ab 1988 und ging immer fixer. Und ich sag mal, ab 1989 ging es los. Das ESCHHAUS hatte längst die Pforten geschlossen und die Duisburger Szene hing erstmal in der Luft. Für Punks gab es eigentlich nur noch den besetzten Neumühler Bahnhof, wo heute eine Veranstaltungstechnikfirma drin ist.

 

Aus welcher prekären seelischen Notlage heraus bist du eigentlich auf die Idee gekommen Konzerte zu veranstalten? Hast du erst bei anderen Konzertveranstaltungen mitgemacht, bzw. wie fing das damals an und in welchem Laden hast du dann ein erstes Konzert gemacht?

Los ging es mit Konzerte organisieren ab 1989. Der Typ, der das damals in der FABRIK in seinen Händen hatte, beschloss eines Tages, sich zurückzuziehen. Da sich niemand der Neuen dafür anbot und ich da zumindest neugierig war, habe ich mich gemeldet. Wat ´ne Kacke hatte ich da geerbt. Peter, mein Vorgänger hatte noch 3 Monate Programm gebucht, um Zeit für ´nen Übergang zu schaffen. Dann hat er mir drei Kartons mit Demotapes hingestellt und gesagt: „Hör mal an und such was aus“. Himmel hilf, drei Kisten Müll und ich soll Programm buchen? Eine Bluesband nach der anderen oder noch schlimmere Verbrechen. Und so habe ich anfangs tatsächlich Blueskonzerte organisiert mangels anderer Kontakte und Peter hat ein wenig beratend zur Seite gestanden, weil er die Bands ja kannte. Und dann kam der erste Punkkontakt. Peter war inzwischen längst raus. Die IMPACT Brüder Hardy & Andy kamen damals vorbei und fragten, ob sie ein Konzert bei uns Veranstalten könnten. Das sollte im Rahmen der Chaostage ´89 in Duisburg sein mit DÖDELHAIE und anderen. Sie würden sich um alles kümmern und wir sollten nur die Theke besetzen. Wir sind uns dann einig geworden und so stand dem ersten erfolgreichen Punkkonzert in der Geschichte der Fabrik nichts mehr im Weg. Außer die Cops. Die haben wohl tagsüber so viele Leute weggeheftet, dass sie damit die Reithalle der Reiterstaffel in der Polizeikaserne komplett gefüllt haben. In Zahlen kann ich es nicht sagen, müssen aber mindestens 200 Leute gewesen sein, eher mehr. Die haben ganz schön Radau gemacht in der Halle, ich war draußen vor der Halle und hab´s gehört. Sehr imposant. Ich war an dem Tag Taxi fahren, plötzlich werde ich in die Zentrale gerufen Dringender Rückruf aus der Fabrik erbeten. Damals gab es ja noch keine Handys. Also da angerufen, da war so ein Peacenik namens Lothar dran, der erzählte ganz aufgelöst, dass die Polizei da war, um uns vor den marodierenden Punkerhorden zu warnen. Als ich sagte, dass ich für den Abend das dazu passende Konzert organisiert habe und Bescheid weiß, hat der erstmal die Buxe vollgeköttelt. Wie ich das machen könnte ohne Rücksprache mit dem Plenum?! Hab ich mich beömmelt. Naja zum Konzert haben es vielleicht 20 geschafft, die Luft war raus. Aber der erste Kontakt zur hiesigen Szene war da, die ersten Punks kannten die FABRIK.

1990 war ich dann zum ersten und einzigen Mal im besetzten NEUMÜHLER BAHNHOF. Das waren ebenfalls recht sympathische Zeitgenossen, zumindest was die Musikfraktion anging. Aber leider war der Bahnhof damals schon akut von der Räumung bedroht, was dann auch im April 1990 geschah. Die Leute waren von heute auf morgen obdachlos, wohnten mit 15 Leuten bei einem Pfarrer in Röttgersbach (DU – Nord) im Keller. Absolut unwürdig, im Schlafsack auf Matratzen pennen, weil bei der Räumung restlos alles Eigentum vernichtet wurde. Wir von der FABRIK haben uns dann auch sofort solidarisiert und angeboten, dass Plenen und geplante Veranstaltungen bei uns stattfinden können. Und eines Tages haben die dann tatsächlich nochmal zwei Häuser in der Flurstraße in Neudorf besetzt. Das Ganze war nur 4-5 Tage, genau weiß ich das nicht mehr, aber es war sehr intensiv. Ich habe zwar nicht mit besetzt, aber intensiv unterstützt. Nach ein paar Tagen war es dann vorbei und damit auch die Squatter Szene in Duisburg.

Fortan fand das Leben der Ex-Besetzer in der FABRIK statt. Ich koalierte mit der Konzertgruppe des NEUMÜHLER BAHNHOFs und es entstand die erste Konzertgruppe der FABRIK, welche sich scherzhaft MEKI („Mit Einsatz Klappts Immer“) nannte. Wir waren in der Konstellation von 1990 – Mitte 1992 aktiv. Neben vielen Soli-Konzerten mit vorrangig lokalen Bands wie ANASTASIS und SPARKIN PLUGS hatten wir schon damals echt coole Bands am Start, z. B. ARCHBISHOP KEBAB, TROTTEL (2x), BLATANT YOBS (2x), INSIDE OUT (Detroit), BLAGGERS und natürlich die legendären LIFE…BUT HOW TO LIVE IT? zusammen mit ISRAELVIS. Das bleibt das Konzert meines Lebens. Und natürlich ein ganzer Strauß deutscher Punk und sonst was Bands, z. B. SHARON TATES CHILDREN, BECK SESSION GROUP, GRAUE ZELLEN, OPERATION MINDFUCK, INHUMAN CONDITION, u.s.w.

Mitte 1992 war dann die Luft raus, die Interessen einiger Leute änderten sich, die Szene aus dem NEUMÜHLER BAHNHOF hatte sich verflüchtigt. In Oberhausen wurde 1991 ein Haus auf der Bebelstraße besetzt, was natürlich die uneingeschränkte Zuwendung der Duisburger Hausbesetzer erfuhr. Da sich diese Szene damals im DRUCKLUFT in Oberhausen aufhielt, verlor die Fabrik einen nicht geringen Teil ihres grade erst erworbenen Stammpublikums nach Oberhausen. Auch ich habe damals immer mehr Zeit in OB verbracht. Ich veranstaltete weiterhin die Konzerte in der FABRIK, allerdings im Großen und Ganzen alleine. Im Grunde war es so, dass tagsüber mit den Hippies vom Bauwagenplatz am Autobahnkreuz Kaiserberg gekifft und gekickert wurde und dann auf Veranstaltungen ins DRUCKI. Die Konzertgruppe im DRUCKLUFT hatte damals gute Connections und gute Bands, …BUT ALIVE, YUPPICIDE, FALSE PROPHETS, EA 80, um nur einige zu nennen. Das erste von mir im DRUCKLUFT organisierte Konzert war SO MUCH HATE / ANGST / ANASTASIS im November ´92, das leider eher mäßig besucht war. Ich habe da ansonsten immer wieder mitgeholfen. ´93/´94 habe ich in der Fabrik nix gemacht, das kam ab Ende ´94 wieder.

Ab Ende ´94 hat sich dann der Kern der neuen Konzertgruppe ZEBRACORE zusammen gefunden. Von der alten Gruppe war nur ich übrig geblieben und im weiteren Umfeld Gina. Damals habe ich wieder das Booking übernommen. In kurzen Abständen stießen Dirk, Jockel, Holgi und Kleini dazu. Ganz intensiv mitgeholfen an der Kasse und beim Kochen haben noch Margit, Silke, Petra und viele andere. Später stießen noch der rote Dirk aus D´dorf und Trööt, die auch mal im ESCHHAUS aktiv war, dazu. Aber im Kern waren es immer sechs bis sieben Leute. In dieser Konstellation war ZEBRACORE bis 2002 aktiv. Ich bin Anfang 2002 ausgestiegen. 2003 hat die FABRIK dann für immer geschlossen. Amen.

1 Kommentar

  1. Ich war in der Fabrik immer bei der Konzerte dabei. Selber komme ich aus Polen und konnte in der Fabrik kein Mensch aber es hat nicht lange gedauert das ich in dem Team war und habe beim Konzerte und allgemein helfen.
    Super Stimmung. Geile Menschen. Abgefahrene Music.
    Alles war mega geil!!!!
    Punx not Dead!!!!

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