Die neue Platte von Schwefels kleiner Band in einer Kurzgeschichte
Diese Gesichter im fahlen Licht der Social-Media-Life-Style-Queens sind Benno an diesem Morgen zu viel. Alle sitzen oder stehen schweigend dichtgedrängt.
Die 901 in Richtung Plicht. Genauso riecht es hier. Das Wochenende verklebt als leere Erinnerung in seinem Körper. Miezen, Freunde und Alkohol als leere Erinnerung verblasst. Die Gedanken in zerissenen Fetzen.
Ihr schönstes Lächeln, sonst sein größtes Fest. Aber ihre altbierbraunen Augen, hatten sie diesmal nicht genervt geschaut? Dabei waren sie doch sein größtes Glück. Einmal noch hatte Bianca die Docs geschnürrt. Und er hatte die Stiefel poliert.
Er hatte sein Glück nicht fassen können. 1-2-3-4 Trink ein Bier mit mir. Es war das eine Bier zuviel gewesen, eine Schicht zu verissen. Er hatte es nicht gemerkt. Die Kinder waren groß geworden. Dann kamen die Nachbarn mit Hunden, die alles vollschissen. Tätowiert wie sie beide. Aber innen waren sie leer. Sie aber gaben ihr Leben für ihr Land. Es war ihre Pflicht.
Benno konnte das nicht ertragen. Es war nicht mehr 1992. Er blickte stolz zurück auf die guten alten Zeiten. Mit seinen Kumpels waren sie bereit, wenn es wieder richtig knallte. Wenn die Sirenen heulten und die Stiefel rythmisch den Boden trafen. Sie waren nicht weggerannt oder hatten sich im Backtage verschanzt. Wenn es knallte waren sie vorne. So ging es Jahr für Jahr. Die Nazis hatten sie für Rote und die Roten für Nazis gehalten. Dabei gingen sie ihren eigenen Weg, für ihre Werte und für das Leben. Die Freiheit durchströmte sie, wenn der einfache, ehrliche Oi!-Sound so herrlich prügelte. Das war Freiheit und nur ihrem Ruf waren sie verpflichtet. Ein Leben in schwarz-weiß war ihr Regenbogen und nicht braun.
Genau das war seine Vergangenheit. Die Kumpels waren gegangen, Bianca geblieben. Sie hatte im Krankenhaus und er auf der Hütte Schichten gekloppt. Die Kinder, das kleine Familienglück, der Sommer in Holland.
Die verdreckten Fenster der Bahn rahmen die Stadt, die auch so nicht besser aussieht. Zusammen sitzt er mit all dem Abschaum, den abgehängten dieser Stadt. Nein, das sind die Guten, denkt er. Der faule Abschaum liegt noch in den Kissen, wird bezahlt von denen, die hier regungslose Freude empfinden. Ein leichtes Lodern von Wut keimt auf, er hält es nicht aus und stopft die Stöpsel auch in die Ohren. Deutschland, scheinbar keiner da. Keiner da, der dich liebt. Und trotzdem bleiben sie alle hier. Und sind froh, dass es dich gibt.
Immerhin, er ist nicht alleine. Und irgendwann wird es Zeit für ein großes Beben.
Bianca und er waren vereint, sangen von England und den dreckigen Flüssen. Vergessen waren die langen Todeslisten, die Hundeklos, o-ho. Für einen kurzen Moment. Ihre Art zu leben. Sie war das Feuer in der Nacht und er zog mit ihr in die Schlacht. Zusammen würden sie untergehen. Mittendrin im größten Getümmel. Take ‚em all und anne Wand, hatte dann ein fremder Arm um Bianca gelegen. Er war nur kurz Bier holen gewesen. Dann hatte er sie gesehen, die kleine fiese Poserfratze. Es war 2025 und er hatte einen Schnauz in der Fresse. Er schämte sich nicht nur nicht, sondern Bianca trug auch lang keinen Chelsea-cut. Watch them fall. Benno rotzte ihm ins Gesicht und er wehrte sich nicht. Kurz danach, kurz danach, er wusste es nicht.
Gleicht beginnt die Schicht, seine Pflicht.

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